Die Quellen Des Bösen
Ihr meinen auch nicht erfahren.« Sie setzte ihren Weg fort, der sie bis an den Rand der Klippen führte.
»Kommt da vorne weg«, brummte der K’Tar Tur besorgt. »Es ist gefährlich. Der Wind zieht Euch hinab, wenn Ihr so nah am Abgrund steht.«
Die Kalisstronin breitete langsam die Arme aus. »Wenn Ihr wüsstet, wie wenig mir das ausmacht«, meinte sie schwermütig. Die Luft spielte mit ihren Haaren, wehte die offenen Strähnen wie schwarze Seidenfäden in Richtung der See, und ihr Kleid flatterte.
Sie ist verrückt. »Kommt zurück, ehe ein Unglück geschieht.« Er machte einen Schritt nach vorn, um die Uneinsichtige notfalls gegen ihren Willen zu ergreifen.
Sie schaute über die Schulter. »Ein Unglück? Wie könnte es denn noch schlimmer kommen?«
»Was habt Ihr gesagt?«, erkundigte sich einer der Türmler von den Zinnen herab. »Habt Ihr gerufen?« Waljakov schaute hinauf. »Nein, ich rede mit dem Weib hier.«
Der Kalisstrone machte ein ratloses Gesicht.
Als sich der Ulldarter umdrehte, war die Frau verschwunden. Prächtig. Sie wird davongesegelt sein wie ein loses Blatt . Hastig ließ er sich auf den Bauch fallen und robbte bis zur Kante, um nach ihr zu sehen. Der Türmler sah ihm neugierig zu.
Aber weder am Strand noch im Meer entdeckte er ihr Kleid. Die Steilhänge wiederum boten keinen Halt und keinerlei Vorsprünge, nach denen sie im Sturz hätte greifen können.
»Das soll mich doch …«, fluchte er, rutschte zurück und rannte die Treppen zum Strand hinunter.
Auch von unten konnte er nichts ausmachen, was ihm eine Erklärung über den Verbleib der Besucherin geliefert hätte. Verblüfft setzte er sich auf einen Stein.
Das ist schon das zweite Mal, dass mir meine Sinne einen Streich spielen . Dennoch sah er das Gesicht der Frau genau vor sich. Zu genau für eine bloße Einbildung.
Er stürmte die Treppen hinauf, um seine Kameraden zu befragen. Aber die hatten nichts gesehen. Weder auf dem Plateau noch am Abgrund.
Nachdenklich fuhr sich Waljakov über die Glatze. Das hat mir noch gefehlt. Nicht nur, dass zahnlose Greise mich bald im Rennen überholen, mein Verstand geht dahin. Verfluchtes Alter.
»Signal von der Stadt, Waljakov«, brüllte einer der Türmler die Treppe des runden Gebäudes hinunter. »Du sollst dich bei Seskahin blicken lassen.«
An Lorins zweiten Namen werde ich mich nicht gewöhnen. Schlimm genug, dass der Junge unter den Fischfressern aufwachsen muss . Grinsend erhob er sich. Aber immerhin hat er es zu was gebracht . »Ich mache mich gleich auf den Weg«, rief er zurück. Es scheint, als müsste ich ein wenig laufen. Schadet mir nichts.
Der Hüne stand auf, zurrte den Harnisch fest, nahm den Säbel in die künstliche Hand und stieg die Stufen zum Strand hinab. Dann verfiel er in einen leichten Trab.
Auf dem Weg nach Bardhasdronda drehten sich seine Gedanken um die Frau, die so rätselhaft aufgetaucht und noch geheimnisvoller verschwunden war.
Als der K’Tar Tur die Stadttore erreichte, hatte er sich kaum angestrengt, was er mit einer gewissen Befriedigung registrierte. Im gleichen Tempo machte er sich auf zum Hausboot und fand dort die Borasgotanerin vor.
»Da hat jemand aber gehörig geschwitzt«, begrüßte ihn Fatja und verzog das Gesicht. »Ist dir der Harnisch schon am Leib festgewachsen?« Sie deutete nach hin ten. »Wasch dich erst einmal, bevor du dich zu uns setzt. Die anderen werden gleich erscheinen.«
»Was gibt es denn so Dringendes?«, wollte Waljakov unwirsch wissen, schnallte die Rüstung ab und trennte sich von seinem Hemd.
»Es sind Dinge zu bereden«, meinte die Schicksalsleserin ausweichend.
Waljakov wusch sich und ließ den kräftigen Oberkörper an der Luft trocknen.
Fatja griente. »Für einen alten Mann bist du noch sehr gut erhalten«, bemerkte sie, weil sie genau wusste, welche Sorgen sich der ehemalige Leibwächter machte. »Und die paar Falten machen da gar nichts aus.«
»Das sind keine Falten«, brummte er, und seine Muskeln spannten sich.
Die Tür öffnete sich. Arnarvaten stand im Rahmen und verharrte, als er den Krieger vor sich stehen sah. Ein ehrfurchtsvoller Blick traf den Ulldarter.
»Ist er nicht niedlich?«, lachte Fatja und warf sich dem Geschichtenerzähler an den Hals. »Er hat tatsächlich immer noch ein wenig Angst vor dir, Waljakov.« Sie nahm ihren zukünftigen Gemahl bei der Hand und zerrte ihn herein. »Ich mache etwas zu trinken, ehe die anderen auftauchen.«
»Habe ich nicht«, widersprach Arnarvaten ein
Weitere Kostenlose Bücher