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Die Quellen Des Bösen

Die Quellen Des Bösen

Titel: Die Quellen Des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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von einem Schwächeanfall vorgelogen.« Fatja wirkte verunsichert. »Ich habe ein wenig Angst davor, dass mich die Visionen in noch ungünstigeren Augenblicken heimsuchen, wenn ich beispielsweise eine Straße überqueren möchte. Kein schöner Abgang, von einem lahmen Pferdefuhrwerk überrollt zu werden, dem man sonst mit spielerischer Leichtigkeit entkommen wäre.«
    »Und der Gast?«
    »Ich dachte, du wolltest wissen, was mit der Vision ist?«
    »Wenn der Mann aber der Auslöser war?«, wurde Matuc deutlicher.
    Die junge Frau runzelte die Stirn, ihr Gesicht nahm einen angestrengten Ausdruck an. »Kann nicht sein«, meinte sie nach einigem Nachdenken. »Ich sah einen Mann, na ja, einen halben Mann, ungefähr so alt wie mein kleiner Bruder. Er stand an Deck eines Schiffes und …«, sie grinste, »übergab sich die ganze Zeit. An seiner Seite hing ein Schwert, dessen Griff er mit Lappen umwickelt hatte. Und dann sah ich hinter ihm seltsam anzuschauende Männer. Sie deuteten auf eine Küstenlinie. Ich erkannte die Hafeneinfahrt von Bardhasdronda. Dann wechselte die Szenerie.«
    Fatja nahm die Wiedergabe ihrer Visionen deutlich mit. Ihre Hände zitterten ein wenig. »Folgendes macht mir am meisten zu schaffen: Ich irrte durch eine düstere Stadt. Die Häuser, deren Fassaden mit verworrenen Reliefs und Mosaiken versehen worden waren, schoben sich von allen Seiten auf mich zu, ragten wie Furcht erregende Berge in die Höhe; auf den Dächern lauerten steinerne Gargoylen und andere schreckliche Wesen und verfolgten mich mit ihren toten Augen.
    Obwohl ich wusste, dass die Sonnen hoch am Himmel stehen mussten, war es am Boden merkwürdig lichtlos, ich hastete von einer hellen Stelle zur nächsten, immer in der Hoffnung, bald an ein Stadttor zu kommen, durch das ich fliehen konnte. Schließlich blieb ich vor einem riesigen Gebäude stehen, das alle anderen überragte, sowohl von der Größe als auch von seiner Finsternis her. Um es herum schien ewige Nacht zu herrschen.«
    Während sie das Bauwerk weiter beschrieb, entstand bei Matuc der Verdacht, dass es sich um die einstige Ulldrael-Kathedrale handelte. Doch an die vielen Eisenspitzen, die angebrachten Türmchen und anderen Einzelheiten erinnerte er sich nicht. Ist Tzulan in unserer Heimat schon so stark, dass er sich derart offen zeigt? Dann wird die Rückkehr wirklich notwendig, um dem Bösen durch den wahren Glauben Einhalt zu gebieten.
    »Ich betrat es gegen meinen Willen durch das gigantische Portal, das für Riesen gemacht sein musste, und sah, wie …« Fatja verstummte, Entsetzen spiegelte sich auf ihrem Gesicht. »Ich sah, wie sie Hunderte von Menschen durch ein Loch im Boden stießen. Einer nach dem anderen stürzte in die Schwärze. Und der Name des Gebrannten Gottes schallte zum Dach des grausigen Gebäudes empor.« Ihr Atem beschleunigte sich. »Ich kehrte auf dem Absatz um, stürzte hinaus. Die Sonnen«, stockend erzählte sie weiter, »sie verdunkelten sich, und die Sterne standen klar und deutlich am Firmament. Aus den Konturen des Gebrannten Gottes formte sich ein Sternenregen, der auf dem Platz niederging.« Sie fasste nach den Fingern des Geistlichen. »Matuc, ich habe gesehen, wie Tzulan herabstieg«, flüsterte sie furchtsam. »Und die Menschen liefen herbei, jubelten ihm zu und begrüßten ihn, allen voran ein junger Mann in der Uniform des Kabcar, der nicht Lodrik war.« Fatja endete, sie schlug die Hände vors Gesicht. Ich will es nicht mehr können. Die Gabe soll verschwinden, mich nicht weiter quälen .
    Lodrik wird sterben, und trotzdem kommt die Dunkle Zeit? Tröstend strich Matuc ihr über die schwarzen Haare. »Es ist gut, Fatja. Es kann dir nichts geschehen. Der Gebrannte ist immer noch am Himmel, Arkas und Tulm hängen weit über unsere Köpfen und können uns nichts anhaben.«
    »Aber es wird nicht mehr lange dauern, wenn ich die Erscheinung richtig gedeutet habe.« Sie leerte die Schale und goss sich Tee nach. »Ist dies das Zeichen zur Rückkehr? Oder eine Warnung, dass wir die Dunkle Zeit nicht mehr aufhalten können?«
    »Ulldrael hat uns damals nicht vor den Schergen Nesrecas bewahrt, damit wir nun tatenlos das unaufhaltsame Vordringen Tzulans und seiner Gefolgschaft vom anderen Ufer aus betrachten sollen.« Matuc erhob sich, schritt mit seiner Prothese so gut es ging auf und ab. »Wir müssen die anderen in Kenntnis setzen. Du musst deine Visionen ein weiteres Mal darlegen«, sagte er und betrachtete sie fürsorglich. »Schaffst du

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