Die Quellen Des Bösen
sein, die Vergehen der Hohen Schwerter in allen Punkten nachzuweisen«, erhob er nach einer theatralischen Pause seine tönende Stimme. »Der Orden hat es über Jahre geschafft, Govan Bardri¢ und den so heimtückisch aus dem Leben gerissenen Lodrik Bardri¢ zu täuschen, um den Feind im Süden heimlich zu unterstützen.«
Stocksteif stand er in seiner makellosen Uniform da, die langen silbernen Haare schimmerten. Der Konsultant verzichtete auf jede ausladende Geste; allein durch seine Regungslosigkeit zwang er die Richter, ihre Aufmerksamkeit voll und ganz auf seine Worte zu richten.
»Aber ich will mir nicht selbst vorgreifen. Alles der Reihe nach.« Die Art, wie er seine Unterlagen aufschlug, war eine regelrechte Inszenierung. Eine Hand legte sich auf den Packen Papier. »Wenn ich am Ende meiner Rede angelangt bin, wird dem Gericht aufgrund der erdrückenden Beweislast nichts anderes übrig bleiben, als den Orden aufzulösen und auf alle Zeiten zu verbieten. Was auf die Verbrecher zukommt … nun ja, Hochverrat fordert die höchste Strafe, die allen bekannt sein dürfte.«
Der Ausrufer erhob sich. »Herodin von Batastoia, Seneschall der Hohen Schwerter, verzichtet Ihr weiterhin auf die Rücksprache mit Rechtsgelehrten, die Euch bei Eurer Verteidigung unterstützen?«
Der Mann lachte. »Da ich diese Farce, dieses abkartete Spiel des Konsultanten und alles, was daraus resultiert, nicht anerkenne, benötige ich keinerlei Beistand in Hinblick auf Gesetzestexte.« Seine Augen richteten sich auf den Berater des Kabcar. »Er hält sich keinen Deut daran. Was ich dem entgegenzusetzen habe, kommt aus meinem ehrlichen Herzen, aus meinem reinen Gewissen.«
»Da Ihr weder über das eine noch das andere verfügt, werdet Ihr schweigen, vermute ich?«, erwiderte Nesreca und lächelte süffisant. »Und Euren Tod werdet selbst Ihr anerkennen müssen«, fügte er halblaut hinzu. »Wenn Ihr dieses Kunststück tatsächlich vollbringt, die Auswirkungen eines Beiles oder einer Würgeschlinge auf Euren Hals zu ignorieren, ziehe ich meinen Hut vor Euch.«
»Beginnt mit der Anklagerede, Mortva«, befahl Govan mit leuchtenden Augen. Er lehnte sich ein wenig nach vorn und beobachtete gespannt die Szenerie.
Der Berater verbeugte sich und nahm seine gewohnt aufrechte Haltung ein, während seine Miene zu Eis wurde. Das gefällige Getue fiel wie eine zweite Haut von ihm ab, unter der sein berechnendes und rücksichtsloses Wesen lauerte.
»Der Orden der Hohen Schwerter gewährte einem Subjekt in seinen Reihen Unterschlupf, das es gewagt hatte, die Tadca selbst und zahlreiche weitere Gäste, ja sogar den Kabcar zu bestehlen.« Scharf wie ein Rasiermesser schnitten seine Worte durch den Raum. »Der ehemalige Rennreiter Tokaro Balasy wurde vom Großmeister selbst an Sohnes Statt angenommen, mit Wissen und stillschweigender Billigung der Ritterschaft. Man wagte es sogar, den verurteilten und gebrandmarkten Verbrecher mit an den Ort zu bringen, wo er seine schändlichen Taten vollbracht hatte. Er sollte dem ungeachtet den Ritterschlag empfangen, die höchste Auszeichnung, die es gibt.« Seine Rechte zeigte auf die Unterlagen. »Ich habe die Aussagen von Zeugen, die alles belegen und beschwören. Außerdem lehnte es der Orden ab, ein Treuegelöbnis auf den Kabcar zu leisten. Vielmehr sagte er sich sogar von allen Verpflichtungen gegenüber dem Hause Bardri¢ los. In Anbetracht der mehr als fragwürdigen jüngeren Geschichte der Hohen Schwerter ist dies eine Missachtung sondergleichen. Außerdem wissen wir, dass nicht Hetrál unseren Strategen Varèsz in der Festung Windtrutz erstach. Der Großmeister selbst machte sich auf zum Pass, um den Feldherrn des Kabcar, dem er Treue geschworen hatte, vom Leben in den Tod zu befördern.«
Hart schlug die flache Hand auf das Papier, der Knall erschreckte die Richter. Weder Govan noch Herodin zuckten zusammen.
»Der Orden hat damit bereits früh Verrat am Kabcar geübt, indem er den Feind unterstützte. Wäre Varèsz nicht gefallen, hätte sich die Einnahme des Bollwerks nicht verzögert. Und wieder gibt es Zeugen, die glücklich waren, endlich die Wahrheit sagen zu dürfen. Nicht zuletzt widersetzten sich die Ritter vor wenigen Nächten der Gefangennahme durch die Wachen des Kabcar. Sie töteten nicht weniger als einundfünfzig Mann, ehe sie der Selbstmord des Großmeisters Nerestro von Kuraschka zur Aufgabe bewegte.« Nesreca atmete tief ein. »Nun, Seneschall, verteidigt Euch. Aber jede Eurer
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