Die Rache
einen anderen Nachnamen angenommen, damit ihn die Leute nicht aus den Nachrichten erkannten.
»Dante, geh zurück«, knurrte sie, als er sich zwischen den anderen Kindern in den Flur schob.
Aber Dante war jetzt ruhiger. In seinem kurzen Leben hatte er schon jede Menge Kämpfe beobachtet. Doods war auf jeden Fall stark genug, um Linda aus
dem Weg zu stoÃen, und wenn er das gewollt hätte, hätte er es bestimmt schon längst getan.
»Junge«, sagte Doods und hielt Dante eine groÃe Tüte von Toys R Us hin. »Ich wünsche dir einen schönen Geburtstag. Du warst wahrscheinlich noch zu klein, um dich daran zu erinnern, aber vor ein paar Jahren bin ich in der Schweiz mal aus einer Kurve geflogen. Dein Dad hat mich aus den Leitplanken gezogen, mich wiederbelebt und mir einen Druckverband ums Bein gelegt, um die Blutung zu stoppen. Ich schulde deinem Vater etwas, Dante. Das ist der einzige Grund, warum ich hergekommen bin.«
Doods stellte die Tüte ab und zog sich zur Tür zurück.
»Woher wusstest du, dass ich hier bin?«, fragte Dante, der in der Ferne die Polizeisirenen hörte.
»Das hat der Commander irgendwie herausbekommen«, meinte Doods achselzuckend. »Sie wissen auf jeden Fall, dass du hier bist. Sie haben versucht, einen Bandit aus Mexico City anzuheuern, der dich umbringen soll. Du bist hier nicht länger sicher. Und ich verschwinde lieber, bevor ich Ãrger mit den Bullen kriege.«
Doods lieà die Tüte stehen und lief zu seiner Harley zurück. Nur Sekunden bevor ein Polizeiwagen um die Ecke bog, verschwand er in die andere Richtung. Linda rannte auf die StraÃe und wedelte mit den Armen, um die Aufmerksamkeit der Polizisten zu erringen, während Dante vorsichtig in die Tüte schaute.
Das Geschenk war nicht verpackt: zwei ferngesteuerte Geländewagen, zwei Hummer, auf deren Schachtel eine riesige Tafel Milchschokolade und eine Geburtstagskarte klebten.
»Coole Sache«, fand Ed. »Lad sie auf, bevor wir in die Schule gehen, dann können wir im Garten ein Rennen machen, wenn wir nach Hause kommen.«
7
Bis Ross Johnson schlieÃlich eintraf, waren zwei uniformierte Beamte bei Dante geblieben. In der Zwischenzeit hatte Lindas Ehemann Donald alle Kinder zur Schule gefahren, bis auf Dante und Holly.
»Muss ich jetzt ausziehen?«, fragte Dante und lieà sich auf einen Sitzsack im Wohnzimmer fallen. Donald und Linda saÃen auf dem Sofa, Ross in einem Sessel und Holly lag auf dem Bauch vor dem Fernseher und spielte mit einem Stapel DVD-Hüllen.
»Im Grunde schon«, gab Ross zu. »Die Alternative wäre nur, dir rund um die Uhr Polizeischutz zu gewähren. Aber dafür haben wir nicht die Mittel.«
Dante hatte sich bei den Graves und seinen bunt zusammengewürfelten Pflegegeschwistern gut eingelebt. Er war enttäuscht, aber er sah ein, dass ein Umzug die einzig sinnvolle Lösung war.
»Dieser Doods«, fragte Ross und zog eine Fotomappe
aus seiner Aktentasche, »kennst du ihn nur unter diesem Namen?«
Dante nickte. »So ist das bei den Bandits. Mein Dad kannte wahrscheinlich auch die richtigen Namen von den Leuten im South-Devon-Club, aber von den anderen Clubs kennen alle nur die Gang-Namen. Es gilt als unhöflich, wenn man nach den richtigen Namen fragt.«
»Und er ist ganz sicher aus Holland? Aber er trug kein Abzeichen von seiner Ortsgruppe?«, hakte Ross nach. Er klappte die Fotomappe in der Mitte auf und reichte sie Dante. »Sieh dir das mal an und sag mir, ob er dabei ist.«
Dante nahm die Mappe und blätterte die Fotos der niederländischen Bandits durch. Ein paar davon waren richtige Verbrecherfotos, aber die meisten stammten von Bikerfestivals, Konzerten und Bikertouren. Diese Touren waren das Kernstück der Outlaw-Bikerkultur und fanden während der warmen Jahreszeit zwischen Ostern und September statt; dann trafen sich Biker aus aller Welt an einem zentralen Ort.
Bei einigen Veranstaltungen waren nur Bandits anwesend. Die gröÃten aber, bei denen man bis zu zehntausend Motorräder zählen konnte, waren für alle Motorradfans, von einsamen Wölfen bis hin zu Mitgliedern der groÃen internationalen Gangs. Bei den friedlicheren Events hatten die South-Devon-Bandits Busse gemietet und ihre Frauen, Freundinnen, Fans und Kinder mitgenommen.
Die Touren gehörten zu Dantes schönsten Erinnerungen. Da wurde man schmutzig und musste sich
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