Die Rache
hübsches Mädchen wie du hier so ganz allein aufs Meer starrt?«
Ashley lachte. »Ich warte auf meinen Freund, er parkt den Wagen.«
»Oh«, machte James verlegen. »Vielleicht könnten wir zusammen durchbrennen, bevor er kommt.«
Ashley lachte erneut.
»Tut mir leid, das war wieder blöd«, erklärte James. »Bist du auch in der Oberstufe?«
Sie nickte.
»Kennst du das Oberstufencollege Crossroads? Da muss ich morgen hin, um mich für meine Kurse anzumelden.«
Sie nickte erneut. »Da bin ich auch. Ehrlich gesagt ist es so ziemlich das einzige College hier, abgesehen von ein paar schicken Privatschulen.«
»Ich dachte, dass hier so ziemlich alles schick ist.«
»Nicht wirklich«, antwortete Ashley. »Die meisten Häuser am Hafen und in der Stadtmitte sind Ferienhäuser. Die Leute wohnen eigentlich in London oder sonst wo. Natürlich gibt es hier auch ein paar Reiche, wie überall anders auch. Julians Eltern sind zum Beispiel
ziemlich wohlhabend. Sein Vater ist Richter und er wohnt da oben im Marina View .«
»Ist Julian dein Freund?«
Ashley nickte. »Er kommt gerade die Treppe rauf.«
James sah über das Geländer und stellte erfreut fest, dass er kein Pärchen störte: Julian befand sich in einer Gruppe von fünf Mädchen und drei Jungen.
»Wir gehen wahrscheinlich zum Diner«, erzählte Ashley, als sich ihre Freunde um sie versammelten. »Es ist eigentlich ziemlich langweilig, und das Essen ist auch nicht gerade das Beste, aber wenn du willst, kannst du mitkommen.«
James nickte und der groÃe, lockige Julian gab Ashley einen Kuss. An seinem Finger baumelte ein Fiat-Schlüssel.
»Hi Ash«, begrüÃte er sie mit weicher Stimme. »Das hat ewig gedauert. Irgendein Depp hat zehn Minuten zum Einparken gebraucht, und eine ellenlange Schlange musste warten.«
»Julian â James«, stellte Ashley die beiden vor. »Er ist gerade hierhergezogen und schreibt sich morgen in Crossroads ein. Du kommst doch mit zum Diner, oder?«, fügte sie an James gewandt hinzu.
»Wenn das für euch okay ist«, meinte James achselzuckend.
Julian wirkte nicht sonderlich begeistert. Es war nicht zu übersehen, dass James mit Ashley geflirtet hatte.
»Hi James«, sagte er knapp. Dann wandte er sich an
seine Freundin. »Du sammelst wohl alle Streuner ein, was, Ashley?«
Und auf dem Weg zum Diner legte Julian demonstrativ den Arm um Ashleys Taille.
19
Montag
Salcombe selbst hatte bereits eine Menge Erinnerungen in Dante ausgelöst, aber als er Joe sah, verschlug es ihm erst so recht den Atem. Sie waren die besten Freunde gewesen, seit sie in Windeln herumgekrabbelt waren bis zu der Nacht, in der seine Eltern ermordet wurden. Er hatte sich immer gefragt, wie Joe wohl darauf reagiert hatte, dass sein Vater der Mörder von Dantes Familie war.
In den ersten Tagen nach dem Mord hatte Dante sich sogar vorgestellt, dass Joe sich auf seine Seite schlagen und die Geschichte über den Kampf mit Martin bestätigen könnte. Aber wirklich gerechnet hatte er damit nie. Joe vergötterte seinen Vater, und selbst wenn er es nicht getan hätte, wäre es vollkommen verrückt gewesen, gegen den Willen des Commanders zur Polizei zu gehen.
Der dreizehnjährige Joe war eine erkennbar ältere Version des Jungen, den Dante gekannt hatte. Das lieà in Dante die Angst aufsteigen, dass man auch ihn
wiedererkennen würde, dass man seine neue Identität durchschauen könnte, weil entgegen aller Versicherungen der Experten auf dem Campus vier Jahre, ein neuer Name, ein Akzent und eine andere Frisur vielleicht doch keine ausreichende Tarnung waren.
Da es hier keine Schuluniformen gab, hatten die einzelnen Cliquen ihre eigenen Dresscodes entwickelt. Joe hing mit ein paar coolen Jungs in Designer-Polohemden, weiten Cargoshorts oder -hosen und Chucks herum. Dante glaubte, dass er mit seinem altmodischen Adidas-T-Shirt und den Diesel-Jeans ganz gut dazupassen würde, allerdings war er nicht in Joes Klasse gekommen, obwohl sich Chloe darum bemüht hatte. Doch die Schule vertrat die Ansicht, dass Geschwister nicht in dieselbe Klasse gehen sollten.
Während Dante also allein im Gemeinschaftsraum der Achtklässler stand und versuchte, Joe und die Jungen um ihn herum möglichst unauffällig zu beobachten, konnte Lauren sich ihnen viel direkter nähern. Sie tat, als sei sie etwas
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