Die Rache der Engel
sein Handy ans Ohr, als hätte er seinerseits überaus wichtige Dinge zu erledigen.
» Danke«, flüsterte Allen.
Wir zogen uns ins Innere des Cafés La Quintana zurück, das sich langsam von dem Stromausfall erholte. Die Kaffeemaschine hinter dem Tresen gab einen ohrenbetäubenden Lärm von sich. Es war kurz vor der Schließung des Lokals und der einzige Kellner war damit beschäftigt, alles für den nächsten Tag vorzubereiten. Wir ließen uns trotzdem an einem Tisch im hinteren Bereich des Cafés nieder.
» Julia, ich weiß, dass Martin und Sie sich im Jahr 2000 kennengelernt haben. Martin war damals auf dem Jakobsweg unterwegs. Ich weiß auch, dass er alles für Sie aufgegeben hat: seine Arbeit, seine Eltern. Und ich weiß, dass Sie in der Nähe von London geheiratet haben und…«
» Einen Moment«, unterbrach ich ihn. » Sie wollen mir jetzt, nach allem, was gerade passiert ist, etwas über mich und Martin erzählen?«
» So ist es. Seinetwegen bin ich hier. Und der Mann, vor dem ich Sie gerade gerettet habe, ist auch seinetwegen hier.«
» Was soll das heißen?«
» Bitte lassen Sie mich die Fragen stellen.«
Ich akzeptierte, wenn auch etwas widerwillig.
» Können Sie mir bitte sagen«, sprach der Amerikaner weiter, » seit wann Sie Ihren Mann nicht mehr gesehen haben?«
» Seit ungefähr einem Monat.«
» Seit einem Monat, so lange schon?«
» Das geht Sie nichts an, finden Sie nicht?«, erwiderte ich unwirsch.
» Nein, natürlich nicht. Ich verstehe.«
Dann sagte ich, um nicht zu brüsk zu wirken:
» Das letzte Mal, als ich mit ihm telefoniert habe, hielt er sich in einem Gebirge in der Türkei auf. Er wollte dort Daten für eine wissenschaftliche Studie über den Klimawandel sammeln.«
» Am Ararat, nicht wahr?«
» Woher wissen Sie das?«
» Ich weiß noch viel mehr, Mrs Álvarez«, sagte Allen, während er einen iPad aus seinem Aktenkoffer zog und vor mir auf den Tisch legte. Der Bildschirm wurde sofort hell. » Ihr Ehemann befindet sich in ernster Gefahr. Man hat ihn entführt.«
8
» Worauf warten Sie? Schicken Sie mir sofort diese Information!«
Inspektor Figueiras war einigermaßen entnervt. Es reichte schon, dass ein ausländischer Kollege die einzige Zeugin der Schießerei in der Kathedrale vernahm, da musste man diesem Mann nicht noch mehr Vorteile in die Hand geben. Ein kurzer Meinungsaustausch mit dem Dekan der Kathedrale ein paar Minuten zuvor, während sie sich einen Überblick über die Schäden an dem Beichtstuhl verschafften und seine Leute die Patronenhülsen aufsammelten, hatte ausgereicht, um sich ein Bild von Julia Álvarez zu machen. Padre Fornés beschrieb sie als eine Frau, die vielleicht etwas zäher als unbedingt notwendig war, sich nur ungern der starren Kirchendisziplin unterordnete und zudem, seiner Meinung nach, ein wenig von heidnischem Gedankengut infiziert war. » Kelten, New Age und solche Sachen«, hatte der Dekan mit aufdringlicher Vertraulichkeit hinzugefügt. Doch Figueiras ließ sich davon nicht beeindrucken. » Bei der Arbeit ist sie dafür die Beste. Ich bin überzeugt, dass sie uns eines Tages mit einer großartigen Entdeckung überraschen wird. Sie wird den Pórtico vor weiteren Schäden bewahren. Sie werden schon sehen«, hatte der Geistliche abschließend gesagt.
Ein Detail im Verlauf des Gesprächs hatte den Inspektor allerdings überrascht: Der Dekan hatte berichtet, dass Julia Álvarez mit einem amerikanischen Staatsbürger verheiratet war. Deshalb hatte Figueiras im Kommissariat angerufen und gebeten, dass man ihm alle Informationen zur Verfügung stellte, die über das Ehepaar zu erfahren waren.
Jetzt saß der Inspektor in seinem Dienstfahrzeug und blickte versonnen auf seinen Computer. Plötzlich spürte er ein Beben in der Luft. Die Rotorblätter eines Hubschraubers wirbelten in der trüben Atmosphäre und schienen selbst das Pflaster des Platzes in Bewegung zu versetzen. Im selben Augenblick klingelte sein Handy.
» Figueiras.«
» Inspector Figueiras?« Er hörte die Stimme des Hauptkommissars.
» Ja, bitte.«
» Wir haben die Information, um die Sie gebeten haben. Erstens, es gibt keine offene Akte zu Julia Álvarez. Sie hat keine Vorstrafen, nicht einmal Bußgelder für Verkehrswidrigkeiten, gar nichts. Aber wir wissen, dass sie promovierte Kunsthistorikerin ist und ein Buch über den Jakobsweg verfasst hat. Es hat den Titel Der Weg der Initiation. Etwas esoterisch für meinen Geschmack. Und sonst nichts von Belang.«
» Was
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