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Die Rache der Engel

Die Rache der Engel

Titel: Die Rache der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Sierra
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haben Sie gemacht? Haben Sie sie gegoogelt?«
    » Hüten Sie Ihre Zunge, Figueiras«, warnte ihn sein Vorgesetzter unwirsch.
    » Sie haben ja recht«, schnaubte der Inspektor. » Entschuldigung. Bitte, erzählen Sie weiter.«
    » Doch bei dem Ehemann gibt es ein paar Auffälligkeiten.«
    » Das kann ich mir denken.«
    » Martin Faber ist Klimaforscher. Und zwar einer der besten, Figueiras. Allerdings kann sich niemand erklären, warum er hier in Spanien lebt. 2006 hat er eine Studie über die Gletscherschmelze in den wichtigsten Gebirgen Europas und Asiens veröffentlicht. Dafür ist er sogar von den Vereinten Nationen ausgezeichnet worden. Seine Vorhersagen scheinen tatsächlich haargenau einzutreffen. Sein Ruf ist beeindruckend. Aber, Figueiras, das Merkwürdigste ist, dass… Also, anscheinend hat er in Harvard studiert und wurde dann von der NSA eingestellt. Für die arbeitete er, bis er Julia heiratete und sich hierher mit ihr zurückzog.«
    » Ist Julias Mann ein Spion?«
    » Technisch gesehen, ja.« Der leitende Kommissar senkte die Stimme. » Das Dumme ist, dass der Rest seines Lebenslaufes unzugänglich ist.«
    » Wie praktisch!«
    Die kleinen Augen des Inspektors funkelten lebhaft hinter dem weißen Brillengestell. Das war schon ein merkwürdiger Zufall, der Mann, der gerade seine Zeugin vernahm, und deren Ehemann arbeiteten für denselben Geheimdienst. » Wissen wir, wann genau sie geheiratet haben?«
    » Das Datum habe ich noch nicht im Personenstandsregister gefunden. Dafür weiß ich inzwischen aber, dass sie in Großbritannien geheiratet haben. Und wissen Sie was? Es gibt einen kuriosen Vermerk in den Daten der Zollbehörde…«
    » Jetzt sagen Sie schon. Lassen Sie mich nicht so lange zappeln.«
    » Anscheinend haben die Eheleute Faber-Álvarez ein Jahr in London gelebt und sich dort mit etwas beschäftigt, was zu keiner der Ausbildungen der beiden passt: Sie haben als Antiquitätenhändler gearbeitet. Aber als sie hierher zogen und sich in Spanien niederließen, haben sie alles verkauft. Alles, außer zwei Steinen aus elisabethanischer Zeit, die sie beim Amt für Kulturbesitz deklariert haben.«
    » Zwei Steine?«
    » Ja, zwei alte Talismane. Seltsam, was?«

9
    Die Bilder, die vor meinen Augen abliefen, waren unwirklich. Sie schienen aus einer Nachrichtensendung zu stammen oder, noch schlimmer, aus einem schlechten Film über den Golfkrieg. Ich hätte selbstverständlich meinen Blick vom Bildschirm abgewendet, wenn ich den Mann in der zerrissenen orangefarbenen Kleidung nicht sofort erkannt hätte. Heiliger Gott. Als ich die markanten Gesichtszüge sah, das Profi l, die großen, kräftigen Hände in Fesseln, und diesen verdrossenen Ausdruck, den er immer zeigte, wenn etwas nicht nach seinem Willen verlief, wusste ich, dass ich nicht darauf vorbereitet war, noch mehr zu sehen. » Was… Was ist das denn?«, brachte ich zögerlich hervor.
    Der Amerikaner hielt die Aufnahme an.
    » Das ist ein Lebensbeweis, Mrs Álvarez. Der Film wurde letzte Woche an einem unbekannten Ort in der türkischen Provinz, in Nordostanatolien aufgenommen. Wie Sie sehen, zeigt er…«
    » Meinen Mann, das sehe ich«, unterbrach ich ihn, während ein Knoten aus Nervosität und Angst meine Kehle zuschnürte. Ich hatte begonnen, meinen Ehering hin und her zu drehen, und stand kurz davor, in Tränen auszubrechen. » Aber wie ist das möglich? Wer hat ihn entführt? Und warum? Was will man von ihm?«
    » Bitte, beruhigen Sie sich.«
    » Ich soll mich beruhigen!«, schnaubte ich. » Was bilden Sie sich eigentlich ein? Wie soll ich mich denn da beruhigen!«
    Der Kellner im La Quintana warf einen flüchtigen Blick zu unserem Tisch. Allen griff nach meinen Händen, sah zu dem Kellner und bedachte ihn mit einer nicht ganz eindeutigen Geste. Der Mann wusste nicht recht, ob man ihn aufforderte, seine Nase woanders hinzustecken, oder ob man ihm bedeutete, dass alles in Ordnung sei. Jedenfalls zog er sich in den hintersten Winkel des Lokals zurück.
    Der Amerikaner konzentrierte sich wieder auf mich.
    » Ich werde Ihre Fragen eine nach der anderen beantworten, Mrs Álvarez. Zumindest soweit es mir und meiner Regierung möglich ist. Aber im Gegenzug bin ich auf Ihre Antworten angewiesen. Verstehen Sie das?«
    Ich war zu keiner Antwort fähig. Ich konnte meinen Blick kaum von dem Standbild von Martin abwenden. Er war fast nicht wiederzuerkennen. Seit Tagen unrasiert, die Haare ein einziges Durcheinander und seine Haut voller Ausschlag.

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