Die Rache der Engel
sind die Expertin, Mrs Faber«, begann Dujok, während er den Blick schweifen ließ. » Martin hat Sie vor fünf Jahren hier kennengelernt und er ist vor einem Monat erneut hierher gekommen, um seinen Hochzeitstalisman zu hinterlegen. Wo könnte er ihn versteckt haben?«
Ich betrachtete nachdenklich die Kirche. Seit meinem letzten Besuch war das ehemalige Kirchenschiff in einen modernen Ausstellungssaal umgewandelt worden. Der Raum hatte sich sehr verändert. Gut, das Wesentliche befand sich natürlich noch an Ort und Stelle. Der Fußboden beispielsweise bestand aus fast 500 anonymen Grabplatten, die Ähnlichkeiten mit denen aufwiesen, die aufrecht präsentiert wurden. Ihr Schmuck bestand aus groben Basreliefs, die Hämmer, Anker, Schuhsohlen und andere Utensilien darstellten, die einen Hinweis auf die Berufe der Verstorbenen enthielten, deren Gräber sie einst bedeckt hatten. Und natürlich waren die Sitzbänke, Beichtstühle oder Altäre nicht mehr vorhanden.
» Also«, drängte mich der Armenier, » wo fangen wir an, Mrs Faber?«
» Ich finde es völlig absurd, hier nach einem mehrere tausend Jahre alten Grab zu suchen, Mr Dujok. Die ältesten Gräber hier sind höchstens siebenhundert Jahre alt«, stellte ich fest.
» Denken Sie bitte ein wenig nach! Versuchen Sie sich an das zu erinnern, was Martin am meisten fasziniert hat, als er zum ersten Mal hierher kam.«
Das war immerhin eine Idee.
» Ich weiß nicht, ob uns das wirklich weiterhelfen wird.«
» Versuchen Sie es. Wir können hier nicht ohne den Adamanten weggehen. Wir müssen den Stein haben, um Martin zu finden.«
» Einverstanden«, seufzte ich. » Martin kam mir an dem Tag, an dem ich ihn kennenlernte, wie einer dieser Männer vor, die immer alles besser zu wissen scheinen. Ich habe die Szene noch vor Augen. Er kam durch diese Tür herein«, sagte ich und deutete auf die Südseite der Kirche. » Er hatte die Strecke von Santiago bis hierher zu Fuß zurückgelegt. Er sagte, die Wallfahrt sei nicht authentisch, wenn man nicht die Kathedrale von Compostela hinter sich lasse und diesen Ort hier betrete.«
» Hat er auch gesagt, warum?«
» Nun… Er war nicht der erste Pilger, der mit dieser Vorstellung nach Noia gekommen ist. Viele Pilger, die den Jakobsweg machen, behaupten, dass nach Santiago de Compostela noch eine weitere Etappe ansteht. Es ist eine zusätzliche Tagesstrecke, die nur die wahren Eingeweihten auf sich nehmen. In Wahrheit stammt diese Sitte aus vorchristlicher Zeit. Aus uralter Zeit. Man muss die Küste erreichen und sehen, wie die Sonne im Westen untergeht, um zu begreifen, dass dieses Land das Ende der Welt ist. ›A terra dos mortos‹, wie die Galicier sagen, das Land der Toten. Das finis terrae der Römer, wo das Festland endete und das legendäre Dunkle Meer begann. Schließlich und endlich der Ort, von dem aus es leichter fällt, die Götter anzurufen und um ihren Schutz zu bitten, als von irgendeinem anderen Platz auf diesem Planeten.«
» Genau das ist der Grund, warum der Adamant…«
» Ja«, pflichtete ich ihm bei, » Sie haben recht. Aber damals habe ich noch nichts davon gewusst. Außerdem hatte Martin noch seine ganz eigenen Vorstellungen von dem Thema. Er war völlig besessen davon, die Steinmetzzeichen, die er an den Kirchenmauern entdeckte, in ein kleines Heft zu übertragen.«
» Was für Zeichen denn?«
» Zeichen wie dieses hier«, sagte ich und zeigte auf einen der Bögen, die das Kirchdach stützten. » Sehen Sie es?«
Es handelte sich um einen simplen Winkel, der aber äußert präzis ziseliert war. » Davon gibt es hier hunderte«, merkte ich an.
» Gibt es noch etwas, wofür Martin sich besonders interessiert hat?«
» Ach, er hat sich für so vieles interessiert. Deshalb bat er ja darum, in der Kirche mit jemandem vom Fach sprechen zu können. Und dann traf es gerade mich«, meinte ich lächelnd. » Ich denke, es hat ihn sehr beeindruckt zu erfahren, dass die Erde, auf der diese Mauern stehen, aus Jerusalem stammt. Ich habe ihm erklärt, dass die Kreuzfahrer sie tonnenweise mitbrachten, um sie dann für die Fundamente von Santa María und dort draußen auf dem Friedhof zu verwenden.«
Dujok riss die Augen weit auf.
» Wirklich?«
» Dafür gibt es eine einfache Erklärung, Mr Dujok. Die Bewohner von Noia glaubten, dass, wenn die Apokalypse kommt, Jesus bei seiner Ankunft zuallererst den heiligen Boden von Jerusalem betreten würde. Sie sagten, dass die Menschen, die in dieser Erde begraben
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