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Die Rache der Engel

Die Rache der Engel

Titel: Die Rache der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Sierra
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Spanisch spricht und diese Wortspiele gewohnt ist, könnte auch etwas anderes verstehen. Nämlich die wahre Bedeutung.«
    » Und was heißt dann Ihrer Meinung nach ›el tiempo dilapidas‹?«
    » Damit ist genau der Ort bezeichnet, zu dem wir gerade unterwegs sind, Mrs Faber«, erwiderte der Armenier strahlend. » Die Iglesia Santa María a Nova.«
    » Ich verstehe überhaupt nichts mehr.«
    » Wenn ich mich nicht irre, wird Santa María a Nova in Ihrer Sprache auch als ›el templo de las lápidas‹ bezeichnet, also als ›der Tempel der Steine‹.«
    ›Und das soll phonetische Kabbala sein?‹, grummelte ich.
    Doch dann fielen mir unsere Schulpausen wieder ein. Wir hatten uns damals die Zeit auch mit solchen Wortspielen vertrieben. Aber ich sagte nichts. Denn die Kirche Santa María a Nova aus dem 14 . Jahrhundert wies tatsächlich eine einzigartige Besonderheit auf: Das Gotteshaus beherbergte die größte Sammlung alter Grabsteine in ganz Europa. Und deshalb wurde es auch » el templo de las lápidas« genannt, » der Tempel der Steine«.
    Sollte unter einem dieser Grabsteine das gesuchte Grab liegen, ging ich davon aus, dass mir der Armenier beim Auffinden helfen würde.
    » Mr Dujok, sagen Sie mir doch, und was bedeutet dann ›se te da visionada‹?«, wollte ich von ihm wissen.
    Ein düsteres Lächeln umspielte seine Lippen. » Genau dieser Satz wird uns zum richtigen Grab führen.«

44
    Roger Castle war davon überzeugt, dass jemand von der allmächtigen NSA mit ihm Versteck spielte, seit er im Weißen Haus residierte. Nicht, dass er dem Geheimdienst keine guten Seiten hätte abgewinnen können, doch er hatte bei seinem letzten Wahlkampf versprochen, dessen enormes Budget im Haushalt zu kürzen. Und damit hatte er sich mächtige Feinde gemacht. Nach zwei Jahren an der Spitze der Exekutive war es für Castle offensichtlich, dass er diese Kreise unterschätzt hatte. Wählerstimmen allein reichten nicht aus, um deren Türschwellen zu überschreiten. Zumindest nicht die Zugänge zu dem » großen Geheimnis«.
    Das große Geheimnis.
    Der Begriff hörte sich an wie aus einem alten Hollywood-Film. Aus einem dieser unsäglichen B-Movies über Aliens in irgendeiner Wüste im Südwesten der USA . Aber hinter der Bezeichnung steckte eine äußerst ernste Angelegenheit. Früher oder später würde in irgendeiner der höheren Sphären des öffentlichen Lebens dieser verdammte Ausdruck fallen und den Präsidenten in eine mehr als ungemütliche Situation versetzen. » Davon habe ich noch nie gehört«, pflegte er stets zu lügen, wenn er danach gefragt wurde. Das wurmte ihn, schließlich verkörperte er die höchste Autorität der Vereinigten Staaten von Amerika.
    Eine Zeitlang hörte er in dem Glauben darüber hinweg, das Ganze sei bloß ein Witz aus dem Inner Circle der Geheimdienst-Community– das große Geheimnis bestand gewissermaßen darin, dass es gar keines gab. Aber Castle wusste besser als jeder andere, dass die Geschichte zu alt war, um sie einfach zu ignorieren.
    Zum ersten Mal hatte er auf einem öffentlichen Forum davon gehört, als er noch Gouverneur von New Mexico war, und zwar bei einem Empfang für Hopi-Indianer im New Mexico Capitol von Santa Fe. Die Indianer, die die Reservate im Norden des Bundesstaates bewohnten, waren wegen des Klimawechsels besorgt. Der Regen war ausgeblieben und der Rio Grande hatte 15 Prozent seines Wassers eingebüßt. » Alles zeigt die Ankunft der Großen Katastrophe an«, hatten sie ihm prophezeit. » Das große Geheimnis besteht darin zu wissen, wann und wie sie eintritt und wie man sich darauf vorbereiten kann«, hatte ihr Sprecher verkündet, ein fast 90 -jähriger Häuptling, der den indianischen Namen » Weißer Bär« trug. Der alte Mann hatte noch hinzugefügt: » Der schreckliche Tag steht bevor, doch die Weißen verbergen uns seit langer Zeit die Einzelheiten.« ›Der große und schreckliche Tag?‹ Damals hatte der ehrenwerte Castle gelächelt und die Angelegenheit heruntergespielt. » Ich habe immer gedacht, dass damit die Bombardierung von Hiroshima gemeint ist!«
    Doch Roger Castle bekam schon einen Monat später wieder mit dem Thema zu tun, und zwar an dem Tag, als sein Vater starb, William Castle II . Von seinem Vater hatte er alles geerbt: sein Vermögen, seine Intelligenz, seine Ähnlichkeit mit John Wayne in seiner Rolle als Davy Crockett in Alamo und vor allem seine Skepsis: An etwas zu glauben, was man nicht messen, wiegen oder in Rendite verwandeln

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