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Die Rache der Engel

Die Rache der Engel

Titel: Die Rache der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Sierra
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Dunkelheit handelte der zweite von Dujoks Männern– ein Mann, den der Armenier mit Janos ansprach und der stumm zu sein schien– ohne jedes Zögern. Er bearbeitete mit einer Art Miniaturschweißgerät das Schloss am Metallgitter von Santa María a Nova, und nach einem plötzlichen Knall gab es nach. Nur ich erschrak.
    Rasch betraten wir die Außenanlage und nahmen den schmalen Weg, der zur Kirche führte. Der Kies knirschte unangenehm laut unter den Stiefeln. Da erst bemerkte ich, wie angespannt die Männer waren. Dujoks gute Laune war verschwunden und einer geradezu animalischen Rastlosigkeit gewichen. Janos brummte etwas auf Armenisch, was ich natürlich nicht verstehen konnte. Sie schienen wegen dieser Plastiktasche zu streiten, die er auf dem Rücken trug. Das glaubte ich zumindest. Aber Dujok bewies sich als Herr der Lage. Offensichtlich hatten die Männer vor etwas Angst. Sie hatten ihre Waffen gezogen: vier Schnellfeuergewehre mit Zielfernrohr. Einer von ihnen trug am Gürtel zusätzlich noch eine Pistole, und sie blickten sich immer wieder um, so als könnte sich im nächsten Augenblick jemand auf uns stürzen.
    Aber wer sollte das sein?
    Ich kannte Santa María a Nova wie meine Westentasche. Es war eine absolut ruhige, kleine Kirche, die mitten in einem dieser Orte lag, wo niemals etwas passiert. Die Kirche war von mehrstöckigen Wohnhäusern umsäumt und lag inmitten eines Geländes, das nach wie vor als Friedhof genutzt wurde. Linker Hand lagen die ältesten Grabstätten, deren Steinplatten vom Unkraut überwuchert waren. Die auf der rechten Seite hingegen waren weiß, sie glänzten und zu ihren Füßen standen Blumen. Das Bindeglied zwischen den beiden Bereichen waren die riesigen Granitplatten, die sich dazwischen stapelten. Diese waren Zeugen einer längst vergessenen Epoche, Platten, die einst die Leichname von Künstlern, Kanonikern und Pilgern bedeckt hatten und nun schon seit Jahrhunderten zerfielen und der Kirche den makabren Beinamen » templo de las lápidas«, » Tempel der Grabsteine« verschafft hatten.
    Dieser Ort hatte mir niemals Angst eingeflößt. Trotz der vielen Grabstätten wirkte nichts dort bedrohlich auf mich. Hier herrschte der reine Frieden.
    » Wieso sind Sie denn so stark bewaffnet, Mr Dujok?«, flüsterte ich.
    Der Armenier nahm meine Frage mit ernstem Gesicht zur Kenntnis, als hätte er eine Vorahnung, dass etwas schiefgehen werde. Seine Antwort klang unwirsch.
    » Haben Sie schon vergessen, was Ihnen in Santiago passiert ist, Mrs Faber?«, brummte er.
    Wir blieben in der kleinen Vorhalle stehen, die den eigentlichen Kircheneingang schützte. Dort befand sich die Anbetung der Heiligen Drei Könige, die ich selbst gereinigt hatte. Sie schwebte über der Kirchentür mit ihren Statuen im romanischen Stil und der knienden Figur von Bischof Berenguel de Landoira, dessen Gestalt sehr grob ausgeführt war und der den Blick ins Nirgendwo richtete. Janos hatte keinen Blick für das Ensemble. Er hatte dringendere Dinge im Kopf. Zum Beispiel das nächste Schloss, mit dem er sich auseinandersetzen musste. Dieses Schloss am Holztor war uralt, es war für einen großen Schlüssel gemacht. Es nötigte ihm etwas mehr Mühe ab, bevor er es mit seinem kleinen Gerät– einem Ionengaslaser, wie ich später erfuhr– überwunden hatte.
    » Vorwärts!«, befahl Dujok, sobald dieses letzte Hindernis beseitigt war. » Wir haben keine Zeit zu verlieren.«
    Doch nur Dujok und ich betraten das Kircheninnere. Janos, Haci– der Pilot– und Waasfi hielten draußen Wache. Im Kirchenraum angekommen, hallte Dujoks Stimme wider.
    » Also! Wo ist das älteste Grab?«
    » Es gibt hunderte alte Gräber«, klagte ich mit Blick auf die ersten Grabplatten zu meinen Füßen. » Kein Mensch weiß, welches davon das älteste ist!«
    Dujok ging zu dem Schalterkasten, den er soeben neben der Tür entdeckt hatte, und hantierte daran. Schlagartig wurde es hell. Indirekte Strahler und moderne Halogenleuchten beschienen die beeindruckende Sammlung der Grabplatten, die ein paar Meter weiter ausgestellt war. Sie schwebten, an Stahlträgern aufgehängt, aufrecht in der Luft. Die Steine hatten unterschiedliche Größen und Formen: Es gab welche mit Pilgern, die mit dem Pilgerstab, dem Pilgerhut und der Jakobsmuschel abgebildet waren; andere mit unentzifferbaren Zeichen, die Augen oder Klauen darstellen konnten; und noch andere mit Scheren, Webwerkzeugen, Pfeilen oder sogar mit Hüten. Aber ohne jedwede Inschrift.
    » Sie

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