Die Rache der Liebe
schließlich ging. Gleich darauf wandte sich Selig Erika zu. Mit Miss fallen registrierte er, dass in ihrem Blick nun wieder Argwohn lag.
Doch dann wurde ihm plötzlich mit großer Erleichterung und Erstaunen die Wahrheit bewußt. » Du hast ihn tatsächlich belogen? «
Schlagartig schwand der Argwohn aus ihren Augen und machte einer eher verdrießlichen Miene Platz. »Hast du daran etwa gezweifelt? Wir haben ein Abkommen geschlossen. Du hast deinen Teil eingehalten, und ich halte meinen ein.«
Die Erwähnung jenes »Abkommens« versetzte nun auch Selig in gereizte Stimmung. Doch ehe er darauf reagieren konnte, gesellte sich ihnen jemand hinzu.
Erika entdeckte ihn als erste und strahlte vor Freude auf. »Turgeis! Ragnar hat gar nicht gesagt, dass du hier ... «
Mit einem Keuchen brach sie ab, da Turgeis Selig packte und ihn zu sich herumdrehte. Ragnars Fausthieb war an Selig abgeprallt. Turgeis' Schlag beförderte ihn geradewegs zu Boden, wo er bewusstlos liegenblieb.
»Nay!« kreischte Erika und fiel neben Selig auf die Knie. » Du darfst ihn nicht verletzen, Turgeis! «
»Warum nicht?« Seine Stimme war wie ein Gewittergrollen.
»Er hat durch uns genug erlitten.«
»Und du etwa nicht durch ihn?«
»Nay, kein bisschen !«
Turgeis zog sie hoch. »Deinen Bruder magst du belügen, aber nicht mich! «
Sie errötete. »Das war keine Lüge. Wirklich, Turgeis! Er hat nichts anderes getan, als mich in Verlegenheit zu bringen und Drohungen auszusprechen, die nie in die Tat umgesetzt wurden.«
»Er will noch immer seine Rache haben.«
»Vielleicht«, gab sie zu, »aber du darfst dich da nicht einmischen. Er ist mein Ge m ahl!«
»Von Ehemännern kann man sich befreien! «
»Wage es nicht! «
Seligs Stöhnen unterbrach den Streit. Erneut beugte sich Erika über ihn. Er brauchte einen Moment, bis er sie klar erkennen konnte.
»Ich glaube, du kennst meinen Freund Turgeis bereits«, sagte Erika betreten.
Selig schaute zu dem hinter ihr stehenden Riesen. »Hast auch du mich für deine Sorgen um Erika niedergeschlagen, oder sind wir beide noch nicht fertig miteinander?«
»Meine Lady sagt, dass wir fertig sind - vorläufig zumindest.«
Seligs Blick glitt wieder zu Erika. »Es war klug von dir, ihn zurückzupfeifen. Meine Familie wäre nicht allzu entzückt, wenn ich hier ein Blutbad entfachen würde, und ich auch nicht.«
Grinsend warf Erika einen Blick über die Schulter. »Siehst du, Turgeis? Nichts als Drohungen.«
Als Antwort ertönte sowohl von Turgeis als auch von Selig ein tiefes Grummeln.
34
Da Ragnar den Wunsch geäußert hatte, Seligs neuerbaute Halle zu besichtigen, begleitete ihn Selig am Nachmittag, gleich nach der Abreise des Königs, dorthin. Während der Abwesenheit der beiden Männer befand sich Erika in heller Aufregung; sie war nicht eingeladen worden, die beiden zu begleiten, und ehe sie den Mut gefunden hatte, selbst darum zu bitten, waren sie bereits fort gewesen.
Erika blieb in der Halle, um dort auf die Rückkehr der beiden zu warten. Doch die einzigen Menschen, die zumindest kurz mit ihr sprachen, waren Seligs Eltern. Von allen anderen Anwesenden erntete sie nichts als feindselige Blicke - vor allem von den Frauen. Sie hatte es gewagt, ihren Selig zu heiraten. Das würden sie ihr nie verzeihen.
Im Augenblick war Erika dies freilich herzlich egal. Ihre Gedanken kreisten einzig darum, dass sich Selig und ihr Bruder wahrscheinlich gerade gegenseitig umbrachten, und niemand war dabei, um sie davon abzuhalten.
Sie malte sich die schlimmsten Schauergeschichten aus, doch erstaunlicherweise trat keine davon ein. Vor Einbruch der Dunkelheit kehrten Ragnar und Selig zurück, beide unverletzt, und Ragnar in eindeutig besserer Stimmung als zuvor.
Er wußte über Seligs Heim nur das Beste zu berichten aus der Sicht eines Mannes natürlich. »Er hat einige sehr entgegenkommende Sklavinnen, die eine Ehefrau sicher gern loswerden würde, aber davon abgesehen glaube ich, dass du dich dort wohlfühlen wirst.«
Aus der Art, wie Ragnar das Wort »entgegenkommend« betont hatte, schloss Erika, dass man ihrem Bruder tatsächlich entgegengekommen war, was auch seine gute Laune erklären würde. Ihr Bruder war nach dem Liebesakt immer ungewöhnlich sanft und milde. Sie hielt bei ihrem Gatten nach ähnlichen Anzeichen Ausschau, aber er verhielt sich nicht anders als sonst, wenn er sich inmitten vieler Menschen befand: für jede Frau ein Lächeln und immer einen Scherz auf den Lippen, auch über sich
Weitere Kostenlose Bücher