Die Rache der Liebe
Ragnar Haraldsson seine einzige Tochter zur Frau angeboten. Und Ragnar hatte sie nebst allem, was sie mitbrachte, einschließlich der Loyalität ihrer Leute, gerne angenommen.
Der alte Vater starb bald darauf eines natürlichen Todes, und die Herrschaft über das Anwesen ging völlig selbstverständlich an Ragnar, als Gemahl der Tochter des Hauses, über. Und weil es sich um eine rechtsgültige Heirat handelte, überdauerte die Loyalität der Leute auch den traurigen Tod ihrer Lady, die neun Monate nach der Hochzeit im Kindbett verstarb. Sie waren jetzt Ragnars Leute und Erikas.
Seit Erika hier lebte, hatten nicht nur die willkürlichen Auspeitschungen ein Ende gefunden, sondern auch die Hungersnot, die Vergewaltigungen und die Todesstrafe für geringfügige Vergehen. Dennoch hatten die Leute viel zu lange unter dem grausamen Joch gelitten, und es gab kaum jemanden, der nicht die Narben der Peitsche aufwies. Es würde mehr als nur ein paar Jahre benötigen, bis sie die Qualen der vergangenen Jahre vergessen hätten.
Aus eben diesem Grund hatte sie vorhin so nachsichtig zu dem Koch gesprochen und schwächte auch jetzt ihre Rüge mit einem Lächeln ab. »Vielleicht noch etwas dicker, Herbert, so wie du es gerne machst. Ich finde dein Rezept viel wohlschmeckender als meines.«
Einen strahlenden Koch hinter sich zurücklassend, verließ Erika die Küche. Aber diese Wirkung übte sie allgemein auf die Dienstboten aus, ob sie diese nun lobte oder nicht - zumindest auf die männlichen Dienstboten. Dank ihres ungewöhnlich liebreizenden Äußeren genügte schon ein winziges Lächeln, um die Herzen aller zu gewinnen.
Selbst war sie über ihre Schönheit nicht immer glücklich gewesen, weil sie dafür jahrelang unter den missgünstigen Sticheleien ihrer weiblichen Verwandtschaft hatte leiden müssen. Mittlerweile empfand sie ihr gutes Aussehen jedoch als angenehm, konnte sich darüber sogar freuen. Sie hatte hohe Wangenknochen, eine kurze, gerade Nase und rosige, volle Lippen. Ihre Augen waren von einem weichen Blau, mit dichten Wimpern und sanft geschwungenen Brauen. Aber ihr größter Schatz waren ihre Haare, lang und golden, mit einer pikanten Schattierung ins Rötliche.
Verglichen mit den Menschen, unter denen sie lebte, war sie eine große Frau. Dennoch war sie zartknochig, was sie geschmeidig und zart erscheinen ließ. Dabei war sie keinesfalls mager. Ihr Körper war wohl gerundet und an allen wichtigen Stellen mit den passenden Kurven versehen. Ihre Brüste waren zwar größer als allgemein üblich, doch gemessen an ihrer Größe gut proportioniert, und ihre langen Beine waren schlank und fest.
Wann immer sie einen Raum verließ, folgten ihr Blicke nach, wie auch jetzt, als sie aus der Küche ging. Kaum wahrnehmbar löste sich zugleich eine schattenhafte Gestalt von der Wand, um ihr nach draußen, in den Burghof, zu folgen.
Der Weg zur Halle wurde von Fackeln erleuchtet. Sie hatte gar nicht bemerkt, wie spät es bereits war, oder daran gedacht, dass alle bereits mit dem Essen auf sie warten würden. Wegen der jüngsten Diebstähle war das letzte Mahl des Tages auf später verschoben worden. Erika hatte mit dem Küchenpersonal etliche Stunden damit verbracht, eine Liste über die Güter, die diesmal gestohlen worden waren, aufzustellen. Und so eilte sie nun raschen Schrittes zur Halle, da Herbert das Essen nicht eher servieren lassen würde, als bis sie ihren Platz eingenommen hätte. Doch in Gedanken weilte sie nach wie vor bei den Diebstählen.
»Sieben Laib Brot und die Hälfte der Gewürze«, sagte sie zu dem neben ihr huschenden Schatten. »Keine Frage, die Gewürze wird man verkaufen - aber das Brot? Ist dir in letzter Zeit jemand aufgefallen, der fett geworden ist?«
Der Grunzlaut, den sie als Antwort erhielt, bedeutete »Nein«.
»Hat Wulnoth denn keine Vorstellung, wer unser Dieb sein könnte?« fragte sie weiter.
Derselbe Grunzlaut. Erika seufzte. Seit nunmehr einem halben Monat wurden immer wieder Lebensmittel, Waffen, ja sogar Vieh gestohlen. Entweder handelte es sich um einen sehr schlauen Fremden, der in der Burg ein- und ausschlich, oder einer ihrer eigenen Leute verkaufte die Güter für ein hübsches Sümmchen in Bedford. Es grenzte an ein Wunder, dass ihn Wulnoth, der Hauptmann der Wache, noch nicht erwischt hatte, denn das Verbrechen erforderte mindestens eine stattliche Anzahl von Peitschenhieben, und von der Peitsche machte Wulnoth nur allzu gern Gebrauch.
Erika verabscheute den bulligen
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