Die Rache der Liebe
Stück aufgetrennt und zu einem tiefen V-Ausschnitt zurückgesteckt, und das Unterkleid war ebenfalls so tief ausgeschnitten, dass die Brüste des Mädchens förmlich herauszuspringen drohten. Doch abgesehen davon sprachen auch ihre Blicke Bände, waren mehr als nur einladend. Seit Erika und Selig die Halle betreten hatten, waren Lidas Augen, bis auf einen kurzen, abfälligen Blick in Erikas Richtung, unentwegt an Selig gehangen.
Doch der Gerechtigkeit halber muss te Erika zugeben, dass Selig dem Mädchen keinerlei Aufmerksamkeit schenkte - was wiederum nichts heißen muss te. Nun eilte Ivarr auf Selig zu, und gleich darauf verschwanden die beiden Männer, um sich zu unterhalten. Erika blieb allein mit den Frauen in der Halle, die, zumindest theoretisch, jetzt ihre Halle war.
Das Problem war freilich, dass sie hier wahrscheinlich nicht allzuviel zu sagen haben würde. Es bestand sogar die Möglichkeit, dass sie wieder diese verdammten Ketten tragen muss te, was den Dienstboten ihren Mangel an Autorität mehr als eindringlich vor Augen führen würde. Doch noch war es nicht soweit. Vorerst würde sie die Rolle der Hausherrin einnehmen, mit all den damit verbundenen Pflichten.
»Raus mit den verdreckten Schuhen!« brüllte Golda plötzlich. »Mach sie sauber oder zieh sie aus, aber du wirst deinen Schmutz nicht auf meinem frisch gekehrten Boden verstreuen!«
Neugierig wandte sich Erika um, weil sie sehen wollte, wer der Übeltäter war, und entdeckte mit leisem Schrecken, dass es sich um Turgeis handelte. Er kam erst jetzt, da er vorher noch ihre Pferde in den Stall gebracht hatte, und dort hatte er sich vermutlich auch den Dreck geholt, den Golda beanstandete.
Turgeis warf Golda einen kurzen, grimmigen Blick zu und tat dann, Wie ihm geheißen worden war. Erika verblüffte es über die Maßen, dass Golda durch Turgeis' Anblick kein bisschen eingeschüchtert war, ihm vielmehr etwas befohlen hatte. Soweit Erika wußte, hatte das außer ihr noch niemand gewagt.
Selig hatte die Szene aus einiger Entfernung ebenfalls beobachtet und wollte gerade loslachen, als er plötzlich Erikas Blick einfing und sich das Lachen rasch verbiss . Sie würde es wahrscheinlich nicht mögen, wenn ihr Freund verspottet würde. Warum er plötzlich auf ihre Gefühle Rücksicht nahm, war ihm selbst nicht ganz klar, vielleicht deshalb, weil er sich wegen dem, was er beinahe getan hätte, ein wenig schuldig fühlte.
Er hatte geplant, eine der Frauen als Haushaltsvorstand zu bestimmen, die über die anderen Frauen die Aufsicht führte, und das hatte er auch getan. Eigentlich gehörte die Aufsicht über die Dienstboten zu den Aufgaben einer Ehegattin, aber er hatte nicht vorgehabt, dieser speziellen Ehefrau diese Befugnis zu erteilen. Zumindest war das sein Plan gewesen. Jetzt fühlte er sich unbehaglich bei der Vorstellung, ihr die Rechte, die ihr zustanden, zu verweigern. Deshalb hatte er beschlossen, darüber nichts verlauten zu lassen und abzuwarten, ob Erika ohne seine Genehmigung die Leitung des Haushalts übernehmen würde. Golda schien das zumindest als selbstverständlich anzunehmen.
Falls es ihn nach wie vor nach Rache verlangte - und mittlerweile war er davon nicht mehr so besessen -, dann könnte er diese auf einer eher persönlichen Ebene fortsetzen. Tatsache war, dass Selig seit der Hochzeit immer weniger imstande war, seinen Zorn aufrechtzuerhalten. Statt dessen kehrte seine gute Laune zurück, und zwar in einem solchen Ausmaß, dass er sogar Erikas Temperamentsausbrüche erheiternd fand, und es bereitete ihm mehr Vergnügen, sie mit Andeutungen über irgendwelche Liebeleien zu ärgern, als diese in die Tat umzusetzen.
Als er ihr nachschaute, wie sie im Gefolge von einer der Frauen die Treppe emporstieg, war er froh, dass er die Treppe nicht hinter einer Wand hatte errichten lassen, wo sie von der Halle aus nicht einsichtig gewesen wäre. Ihr angehobener Rock enthüllte schlanke Fesseln und gelegentlich auch ein Stück ihrer wohlgeformten Beine, die er einmal so hautnah erlebt hatte. Sie war eine Frau von jäher Leidenschaft, deren Feuer durch die Berührung eines Mannes mühelos entfacht werden konnte. Wie viele Männer außer ihm mochten dies wohl schon herausgefunden haben? Dieser Gedanke war absolut störend.
»Hast du sie aus Rache geheiratet, oder willst du sie einfach haben?«
Selig drehte sich nach Ivarr um, der diese spöttische Frage gestellt hatte - nicht ohne Grund, da Selig unfähig gewesen war, die Augen von
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