Die Rache der Liebe
Lida von den typischen Frauenarbeiten nicht verschont bleiben. Und soweit durfte es gar nicht erst kommen.
Die Tatsache, dass Selig frisch vermählt war, bereitete Lida keinerlei Kopfzerbrechen, da man ihr bereits erzählt hatte, dass er die Lady verabscheute und nur auf Drängen des angelsächsischen Königs hin geheiratet hatte. Und selbst wenn er sie lieben würde, wäre das für Lida kein Hindernis. Sie wußte um die Macht ihrer erotischen Anziehungskraft, und ihr Vertrauen darauf war ungebrochen.
Sich mit einem Mann wie Selig Haardrad einzulassen, barg allerdings auch ein Risiko - das Risiko, dass sie ihm ebenso verfallen würde wie er ihr. Sie war in ihren Beziehungen immer distanziert geblieben, hatte ihre Gefühle nicht eingebracht. Aber bei so einem Mann war es ein Risiko, das sie freudig eingehen würde.
36
Selig führte den Hengst aus dem Stall. Es war nicht sein Pferd; er hatte es sich von Royce ausgeliehen, da sein eigenes Lieblingspferd wie auch sein erstklassiges Schwert in die Hände der Räuber gefallen war. Während seiner Genesungszeit hatte er oft daran gedacht, diese Strauchdiebe zu verfolgen, und auch wenn er sie nicht alle erwischen sollte, könnte er sich zumindest sein Eigentum zurückholen. Der Gedanke beschäftigte ihn nach wie vor. Vielleicht später, wenn er sich in seinem neuen Heim eingerichtet hatte ...
Er hatte sich für seinen Umzug nicht gerade den besten Zeitpunkt ausgesucht. Im Burghof herrschte emsige Geschäftigkeit, da noch weitere Besucher eingetroffen waren. Royce und Kristen unterhielten sich gerade mit einer Gruppe Männer, die Selig momentan nicht einordnen konnte, aber schließlich hatte er ja auch die Hälfte der königlichen Gesandtschaft nicht gekannt. Seine Brüder waren im Südteil des Hofs damit beschäftigt, ihre Waffen auszuprobieren, was etliche Zuschauer anzog, einschließlich ihres Vaters. Brenna war in ein Gespräch mit Turgeis Zehn Fuß vertieft, der in etwa fünfzehn Fuß Abstand von Erika stand, also ganz in ihrer Nähe. Nicht umsonst wurde er wohl als ihr »Schatten« bezeichnet. Er fragte sich, worüber seine Mutter mit Turgeis reden mochte. Sie wirkte neben ihm wie ein Kind, aber kein bisschen verschüchtert.
Erika wartete draußen vor der Halle auf ihn, genau dort, wo er sie verlassen hatte. Vor wenigen Stunden hatte sie von ihrem Bruder Abschied genommen. Selig hatte damit gerechnet, dass sie anschließend in Tränen ausbrechen würde, und sie deshalb sofort zurück in ihrer beider Gemach gebracht, damit sie ihre persönlichen Dinge zusammenpacken konnte. Narr, der er war, hatte er gedacht, sie dadurch abzulenken.
Seine Gedankenlosigkeit wurde denn auch mit der höhnischen Bemerkung erwidert, dass sie nichts besitze, was sie einpacken könnte. Er hatte es ihr heimgezahlt, indem er ihre Ketten vom Boden aufgehoben und in seine Truhe gestopft hatte. Seitdem bedachte sie ihn mit mörderischen Blicken, was ihn überaus erheiterte.
Kristen winkte ihm zu und war gleich darauf neben ihm. Ihr breites Grinsen ließ zweierlei Schlussfolgerungen zu: Entweder freute sie sich einfach, dass in ihrem Heim durch seinen Umzug nun wieder Normalität einkehren würde, oder sie hatte sich irgendetwas Boshaftes ausgedacht, womit sie ihn ärgern wollte.
»Mein Sohn wird sich mächtig beschweren, wenn du nicht bis zu seiner Ankunft wartest«, bemerkte sie. Da man auf Wyndhurst mit Ragnars Kommen gerechnet hatte, waren beide Kinder und die junge Meghan vorsichtshalber zu Royces Cousin Alden gebracht worden. »Sie müss ten jeden Moment eintreffen.«
»Ich ändere nur meinen Schlafplatz«, erinnerte er sie. »Da sich die ganze Familie hier aufhält, werde ich jeden Tag zu euch herüberreiten, oder zumindest jeden zweiten.«
»Mit deiner Gemahlin?«
Er runzelte die Stirn und be schloss , diese Frage zu ignorieren. Kristens Spötteleien waren nicht so einfach hinzunehmen, wenn sie sich nur auf eine Frau statt auf Frauen im Allgemeinen bezogen.
Um das Thema zu wechseln, sagte er: Ach dachte, alle Männer aus der Gefolgschaft des Königs wären mit ihm abgereist.«
Kristen folgte seinem Blick zu der Gruppe von Fremden, mit denen sich Royce noch immer unterhielt. »Das sind Neuankömmlinge, die irgendetwas mit Alfred zu bereden haben. Man hat sie zu uns gesandt, und jetzt müssen wir sie weiterschicken.«
Plötzlich stutzte Selig und kniff die Augen zusammen. »Der Mann in der Mitte kommt mir irgendwie bekannt vor. Ist er früher schon einmal hier
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