Die Rache der Liebe
aufrecht hinzustellen brauchte, um der Zugkraft zu entgehen?
»Ich bin Selig, der Gesegnete, vom Haardrad-Klan in Norwegen.«
Erika hörte, wie sich Turgeis hinter ihr bewegte. Er würde einem anderen Norweger wohlwollend gegenüberstehen. Sie hoffte, er würde dieser offensichtlichen Lüge keinen Glauben schenken, und gleichzeitig war sie verärgert, dass sich der Mann keine bessere hatte einfallen lassen.
»Dein Aussehen verrät dich«, sagte sie höhnisch und ertappte sich gleich darauf dabei, wie sie ihm anbot: »Ich habe gehört, die Kelten aus Cornwall sind wahre Hünen, und mir scheint eher wahrscheinlich, dass du einer von ihnen bist. Warum lügst du also? Wir sind keine Feinde der Kelten. Die Kelten haben uns sogar gegen die Angelsachsen unterstützt.«
»Wieso bist du in Wessex?«
Seine ausweichende Antwort machte sie ebenso wütend wie die Verwirrung, die er so überzeugend darzustellen versuchte. Sie hatte ihm eine Identität angeboten, die für ihn günstig gewesen wäre, die ihr erlaubt hätte, ihn gehen zu lassen, und trotzdem hatte er nicht zugegriffen, schlimmer noch, er hatte ihr Angebot ignoriert. Dann sollte sich eben Loki seiner annehmen, denn sie wollte verflucht sein, wenn sie ihm noch einmal eine Ausflucht anbieten würde!
»Wie du sehr wohl weißt, befindest du dich in Ostanglia, in der Nähe von Bedford! «
»Das ist nicht möglich! «
Ach, jetzt bezeichnete er sie als Lügnerin! Die Lippen zu einem schmalen Strich zusammengepresst , wandte sie sich Wulnoth zu. »Weshalb ist er der Spionage bezichtigt?« Allein ihr Ausdruck gebot ihm, in keiner anderen Sprache als Dänisch zu antworten, und das tat er auch völlig flüssig.
»Die heimkehrende Wachmannschaft fand ihn draußen vor der Mauer liegend vor und näherte sich ihm unbemerkt. Als sie bei ihm ankamen, hörten die Männer, wie auf der anderen Seite der Mauer gerade die Ablösung der Wachen besprochen wurde. «
Noch bevor Erika etwas erwidern konnte, meldete sich der Gefangene zu Wort. »Ich bin gesessen, nicht gelegen, und ich wollte von den Wachen gefunden werden, weil ich aus eigener Kraft keinen Schritt mehr hätte tun können! «
»Sein Sack war voll mit frisch gekochten Speisen«, fügte Wulnoth rasch hinzu. »Die könnten aus unserer Küche stammen. Da das Tor geschlossen war, ist er womöglich über die Mauer geflüchtet und hat sich dabei verletzt. «
Erikas Brauen hoben sich. »Dann hättest du in ihm also auch deinen Dieb gefunden?«
»Entweder das oder einen Spion«, beharrte Wulnoth. »Vielleicht ist er sogar ein entlaufener Sklave. «
Erika erkannte, dass Wulnoth entschlossen war, so oder so ein Opfer zu haben, allerdings war dann sein letzter Vorschlag eher ungeschickt. Falls der Mann tatsächlich ein entflohener Sklave sein sollte - und sie bezweifelte, dass er immer Sklave gewesen war -, dann sollte er seine Freiheit erhalten. Schon etliche Sklaven hatten Zuflucht bei den Dänen gesucht und sie meist auch erhalten, genauso, wie Dänen nach Wessex oder Westmarcia flüchteten. Und sollte er ihr Dieb sein...
»Die Speisen stammen von einer Hausfrau nördlich von hier«, sagte der Gefangene mit einer vor Erschöpfung fast schon trunkenen Stimme. »Es wäre ein leichtes, sie ausfindig zu machen und zu befragen.«
Erika war geneigt, dies zu glauben, denn sie konnte sich einfach nicht vorstellen, dass dieser wunderschöne Hüne unbemerkt in das Gebäude hätte eindringen können. Ein Spion konnte er allerdings sehr wohl sein. Ihr Bruder wäre sicher sehr viel härter mit ihm umgesprungen, hätte ihn vermutlich auf der Stelle töten lassen, denn als kriegserfahrener Heerführer wußte er nur zu gut, welch verheerende Folgen es haben konnte, wenn geheime Pläne verraten wurden. Dass derzeit gerade eine Phase des Friedens herrschte, würde für ihn keinen Unterschied machen.
Doch das Schicksal des Gefangenen lag in ihrer Hand, nicht in Ragnars. Also muss te sie sich der Sache annehmen. Für den Verdacht sprach, dass er heimlich hier herumgeschnüffelt hatte und als Kelte das Dänische fließend beherrschte. Dagegen sprach freilich, dass zwischen Kelten und Dänen Frieden herrschte. Und die Ablösung der Wache, die er angeblich belauscht haben sollte, war kein allzu großes Geheimnis und könnte problemlos von jedem, der das Anwesen beobachtete, in Erfahrung gebracht werden. Erika be schloss , Milde walten zu lassen.
»Was den Diebstahl betrifft, werden wir tatsächlich unsere Nachforschungen anstellen«, sagte
Weitere Kostenlose Bücher