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Die Rache der Liebe

Die Rache der Liebe

Titel: Die Rache der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Lindsey
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so straff über seinem Kopf gestreckt waren, dass jeder einzelne Muskelstrang hervortrat. Weil Wulnoth den Mann zuvor mit seiner Gestalt verdeckt hatte, fiel Erika erst jetzt auf, dass seine Füße nicht, wie bei anderen Gefangenen, knapp über dem Boden baumelten. Nay, die Füße des Mannes standen nicht nur fest auf dem Boden, er hatte sogar die Knie eingeknickt. In aufrechter Haltung muss te er Wulnoth um etliches überragen.
    Deshalb hatte es also sechs Männer bedurft, um ihn hierher zu bringen, überlegte Erika. Ein Mann solchen Ausmaßes muss te ein ziemliches Gewicht haben, und diese einheimischen Männer, die ihrem Bruder die Untertanentreue geschworen hatten, konnten es mit dem Gefangenen an Größe wahrlich nicht aufnehmen. Aber er spielte in der Tat den Schwachen. Oder war er vielleicht so erschöpft, dass er nicht wach bleiben konnte? Es hatte schon unwahrscheinlichere Geschichten gegeben. Oder war er von Wulnoth bereits gefoltert worden? Nay, das hätte er nicht gewagt.
    Seine Kleidung war die eines Leibeigenen, doch das konnte auch Tarnung sein. Andererseits hatte er sein langes Haar nicht verändert. Es war rabenschwarz und wies eindeutig auf seine keltische Abstammung hin.
    Sie antwortete Wulnoth auf Dänisch , machte wieder einmal seine Hoffnung zunichte, dass sie ihm auf den Leim gehen und in seine Sprache verfallen könnte. »Der Mann kann sehr wohl müde oder geschwächt sein. Und noch etwas: Ein Kelte mag deine Sprache vielleicht nicht kennen, aber als Spion müss te er zumindest die meine beherrschen. Hast du es damit schon versucht?«
    Sein rot anlaufendes Gesicht verriet ihr, dass er es nicht getan hatte. Und jetzt meldete sich auch noch eine fremde Stimme zu Wort, die ihre Vermutung bestätigte.
    »Sprichst du Dänisch?«
    Der Gefangene hatte bei seiner Frage den Kopf gehoben, und Erika konnte ihn nur mehr anstarren, unentwegt anstarren, bis ihr bewußt wurde, was sie da tat, und mit schamroten Wangen den Blick abwandte. Aber gleich darauf schüttelte sie ihre Verlegenheit wieder ab. Ihre Augen hatten sie nicht getrogen. Der Mann hatte ein so anziehendes Gesicht, dass es bar jeder Beschreibung war. Schön war alles, was ihr einfiel, und selbst das wurde ihm noch nicht gerecht.
    Oh, er hatte sicher keine Schwierigkeiten, an Geheimnisse zu gelangen - die Frauen würden sie ihm, ohne zu zögern, preisgeben. Doch Frauen wussten kaum etwas über Geheimnisse, die den Krieg betrafen... Erika war erschrocken , wie rasch sie bereit war, die Vorwürfe gegen den Mann als unwesentlich abzutun, nur weil sie ihn gutaussehend fand, extrem gutaussehend - unglaublich gutaussehend. Sie muss te sich in acht nehmen und den Mann lediglich nach den Fakten beurteilen.
    Schließlich sagte sie zu ihm: »Was soll ich sonst sprechen? Für einen Kelten kannst du recht gut Dänisch. Aber für deinen Auftrag als Spion hast du die Sprache natürlich erlernen müssen.«
    Anscheinend hatte er sie nicht richtig verstanden, denn seine nächste Frage stand zu ihren Worten in keinerlei Beziehung. »Was macht eine Dänin in Wessex?«
    »Aha, jetzt wissen wir also, für wen du spionierst!«
    »Antworte mir, Weib! «
    Erika stand kurz vor einem Wutausbruch, beherrschte sich aber noch rechtzeitig und fügte hinzu: »Und dass du gewohnt bist, Befehle zu erteilen. Aber hier stellen wir die Fragen. Ich bin Lady Erika, Schwester des Ragnar Haraldsson, dem Gronwood und die umliegenden Ländereien gehören. Während seiner Abwesenheit bin ich die Obrigkeit, der du zu antworten hast, und du solltest jetzt erst einmal mit deinem Namen beginnen! «
    »Du klingst genauso rechthaberisch wie meine Schwester! «
    Das Grinsen, das er ihr zuwarf, trieb Erika abermals die Röte in die Wangen und ließ sie sogar die abwertende Anrede, mit der er sie bedacht hatte, vergessen. Und es verursachte tief in ihrem Bauch ein wohliges Prickeln. Sie konnte nicht sagen, weshalb sie seine Worte als Kompliment empfand oder weshalb sie ihr überhaupt gefallen sollten. Aber gleich darauf stöhnte sie innerlich auf. Schon wieder reagierte sie auf sein attraktives Äußeres, benahm sich wie ein einfältiges Mädchen, dem nichts Besseres einfiel, als über Schmeicheleien zu seufzen und zu schmachten. Wenn sie ihre Autorität wahren wollte, muss te sie sich endlich zusammenreißen.
    »Dein Name?« herrschte sie ihn an.
    Er seufzte und schien noch ein Stück tiefer an der Mauer herabzusacken. Warum hielt er seine Arme so qualvoll gestreckt, wenn er sich doch nur

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