Die Rache der Liebe
erhofft hatte.
Doch als sie ihm nun zugeführt wurde, schien er über ihre Aufmachung alles andere als verärgert. Einen kurzen Moment leuchtete Bewunderung in seinen Augen auf, was er sogleich wieder hinter einer unergründlichen Miene verbarg.
Prachtvoll gekleidet erwartete er sie auf den Stufen der kleinen Kapelle im Burghof. Die Zeremonie sollte hier stattfinden, damit alle die feierlichen Worte des Bischofs vernehmen könnten. Selig stand neben dem Bischof, und Erika wurde in der Tat vom König von Wessex zu ihrem Bräutigam geleitet.
Alfred war eine Überraschung für sie und seine ersten Worte nicht minder: »Alle Frauen hier beneiden dich, Lady Erika.«
Er benutzte die dänische Sprache. In Anbetracht der zahlreichen Kontakte, die er Zeit seines Lebens zu den Dänen gehabt hatte, war seine Kenntnis dieser Sprache nicht weiter erstaunlich. Dafür verblüffte Erika sein jugendliches Alter um so mehr; er wirkte kaum älter als Selig. Und er war auch nicht vornehmer als sein Hofstaat gekleidet. Tatsächlich hätte Erika ihn gar nicht als König erkannt, wenn sie nicht gehört hätte, wie er mit Namen und Titel angesprochen wurde.
Zu seiner Bemerkung fiel ihr kein Kommentar ein, der sie nicht beide in Verlegenheit gebracht hätte, denn im Moment stand ihr nicht der Sinn nach höflichen Floskeln. Also schwieg sie und behielt für sich, dass sie liebend gern mit jeder der anwesenden Frauen tauschen würde. Beneiden? Die Frauen kannten Selig Haardrad nicht so gut wie sie. Sie kannten nur seine liebenswerte Seite, die ihm Erika auch nicht absprechen wollte, da sie diese selbst gesehen, wenn auch nicht erfahren hatte. Dafür wußte sie wohl als einzige Frau, zu welchen Grausamkeiten er fähig war.
Und das würde sich nicht ändern, nur weil er sie jetzt seine Gemahlin nennen könnte. Vielmehr erhielt er durch diese neue Konstellation noch mehr Gelegenheiten, sie zu quälen.
Die Zeremonie war viel zu schnell vorbei. Zwischen Seligs Mitteilung, dass sie heiraten würden, und der offiziellen Eheschließung lag nicht mehr als eine Stunde. Und erst jetzt wurde Erika bewußt, dass man ihr gar keine Zeit gelassen hatte, darüber nachzudenken, worauf sie sich da einließ. Wäre diese überstürzte Hast nicht gewesen, hätte sie vielleicht ...
Aber nun war es geschehen. Sie hatte einen Ehegatten. Vorerst wollte sie sich mit diesem Sachverhalt nicht näher befassen, da sie sonst womöglich einen hysterischen Anfall erleiden würde.
Die anschließende Hochzeitsfeier empfand Erika als das reinste Possenspiel. Weder sie noch Selig hatten einen Grund zu feiern, und trotzdem saßen sie Seite an Seite und ließen die gutgemeinten Scherze und derben Anspielungen, die eine Hochzeit immer begleiteten, über sich ergehen. Letztlich amüsierten sich alle prächtig - alle, außer dem frisch vermählten Paar.
Selbst Seligs Familie befand sich in ausgelassener Stimmung, was Erika seltsam anmutete, da sie alle, wie Erika wußte, Selig sehr zugetan waren und für ihn nur das Beste wollten. Vermutlich lag es einfach an der ganzen Atmosphäre, und außerdem war Seligs Miene bei weitem nicht so düster wie die ihre. Oder glaubte seine Familie tatsäch l ich, er sei über das Ergebnis des heutigen Tages glücklich, und freute sich nun für ihn? Aber nein, es lag auf der Hand, dass er seiner Familie zuliebe nur gute Miene zum bösen Spiel machte.
Selig kippte noch einen Krug Ale hinunter. Mittlerweile hatte er es aufgegeben, seinen permanenten Gefühlsschwankungen auf den Grund zu gehen. Und er hatte es aufgegeben, seine Gemahlin zu ignorieren.
Eigentlich dürfte sie nicht neben ihm sitzen, solange sie ihn nicht mit »Herr« anredete, und trotzdem saß sie nun da. Andererseits müss te sie ihn jetzt Gemahl nennen, und waren »Herr« und »Gemahl« nicht ein und dasselbe? Sie sollten es zumindest sein, nur würde sie nie so denken.
Er hätte jede Frau haben können, die er wollte - jede, bis auf diese eine. Und genau diese eine hatte er nun. Sie war unwiderruflich sein. Allerdings wußte er nicht so recht, was er jetzt, da sie von einer Sklavin zur Gemahlin aufgestiegen war, mit ihr tun sollte.
Hatte er tatsächlich eingewilligt, seine eigene Frau niemals zu berühren? Zum Glück hatte er nicht auch auf seine Rache verzichtet. Zumindest die würde er weiterhin haben. Denn hatte er sie nicht einzig aus diesem Grund geheiratet?
Diese verfluchten Gefühle spielten heute wieder mal verrückt! Die Frau war schön, und sie war traurig. Es
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