Die Rache der Liebe
fiel ihm schwer, die Augen von ihr zu wenden. Doch je unglücklicher sie wirkte, desto wütender wurde er.
Es war ihr Hochzeitstag. Eine Braut sollte an so einem Tag glücklich sein. Und seine Braut hätte eigentlich die glücklichste von allen sein sollen. Es war nicht Eitelkeit, die ihn zu dieser Vorstellung bewog, sondern einzig seine Erfahrung, wie Frauen normalerweise auf ihn reagierten. Aber Erika würde sich nicht einmal um ihrer Gäste willen den Anschein einer glücklichen Braut geben.
Schließlich wandte er sich unmutig an sie und sagte scharf: »Das hier ist kein Begräbnis! Wenn du dich so unwohl fühlst, dann solltest du dich besser in mein Gemach zurückziehen -auf deinen speziellen Platz!«
Erika errötete, obwohl niemand sonst seine Worte gehört hatte. Und selbst wenn, so wussten nur sehr wenige, dass ihr »Platz« in der Ecke auf dem Boden war. Eigentlich sollte sie erleichtert sein, dass sie weiterhin dort schlafen konnte. Er hielt sich an ihre Abmachung. Aber warum war sie nun verlegen, verlegen und ... sie war sich nicht sicher, was sie noch empfand.
Nay, das war eine Lüge. Sie wußte es sehr wohl. Doch, Odin möge ihr beistehen, wie war es möglich, dass sie Enttäuschung verspürte? Schließlich war sie es gewesen, die darauf bestanden hatte, nicht von ihm berührt zu werden wenn auch aus anderen Gründen, als er vermutete. Sie hatte schlicht und einfach Angst vor seiner Leidenschaft, die so gewaltig war, dass auch sie davon mitgerissen wurde.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass du dich in ihn verlieben wirst.
Nie waren jene Worte seiner Schwester in ihr verstummt. Auch davor hatte sie Angst, denn er gab ihr nicht genügend Gründe, um ihn richtig hassen zu können. Sicher, er versuchte es immer wieder, und sie war dann auch für eine Weile zutiefst gekränkt, aber ihr Miss mut hielt nie lange an.
Er hat noch nie im Leben eine Frau verletzt.
War die Behauptung seines Vaters denn wahr? Falls ja, dann wäre Seligs Drohung, sie sämtlichen Männern auszuliefern, eine Lüge gewesen. Er wäre gar nicht fähig gewesen, so etwas zu tun.
Nur allzu gern nahm sie nun seine Erlaubnis an, die Halle zu verlassen. Sie muss te seiner beunruhigenden Gegenwart entfliehen, um wieder klar denken zu können. Dass er sie ohne Begleitschutz gehen ließ, war etwas ganz Neues. Wenn die Heirat auch sonst zu nichts diente, dann schien sie ihr doch zumindest ein wenig mehr Freiheit zu verschaffen. Und die verfluchten Ketten waren auch verschwunden ...
Die verfluchten Ketten lagen auf Seligs Bett! Jemand muss te sie unten aufgeklaubt haben, jemand, der genau wußte, wem sie gehörten. Selig war es bestimmt nicht gewesen. Er hatte von ihrem Akt der Rebellion wahrscheinlich gar keine Ahnung.
Abermals flogen die Ketten zum Fenster hinaus, und Erika empfand dabei genau dasselbe Vergnügen wie zuvor. Könnte sie doch nur der Vorstellung, ihre Hochzeitsnacht in einer Ecke auf dem Fußboden zu verbringen, ebenso viel Vergnügen abgewinnen!
31
Ragnar ließ Kristen nahezu eine Stunde auf dem Festungswall warten, ehe er ihrem Gesuch um ein neuerliches Gespräch nachkam. Unhöflichkeit war das Privileg eines Menschen, der sich in überlegener Position wähnte, und eben dieser Auffassung war Ragnar noch immer. Kristen verlor nur deshalb nicht die Beherrschung oder verließ den Wall, weil sie sich auf seine Miene freute, wenn sie ihm die Neuigkeit überbringen würde.
Royce hatte weniger Geduld. Wütend über Ragnars unziemliches Verhalten verließ er den Wall, kehrte aber im Verlauf dieser einstündigen Wartezeit dreimal zurück und hätte Kristen beim dritten Mal vor lauter Zorn fast gewaltsam vom Wall gezerrt.
Brenna kam nicht nach draußen, da sie ohnehin kein Dänisch sprach. Dafür war aber Kristens Vater zugegen; eigentlich hätte er als Oberhaupt der Familie das Gespräch mit Ragnar führen sollen, doch er hielt sich zurück, da er wußte, wie sehr es Kristen danach verlangte.
Und Selig, dieser Säufer, lag zweifellos noch im Bett, nachdem er sich am gestrigen Abend selbst unter den Tisch getrunken hatte. Sollte er, nachdem ihn Royce und Ivarr nach oben geschleppt hatten, noch fähig gewesen sein, seinen ehelichen Pflichten nachzukommen, so würde das an ein Wunder grenzen. Aber das würde Ragnar selbstverständlich nicht erfahren. Kristen würde ihn lediglich über die neuen Familienbande unterrichten, und da die Hochzeitsnacht bereits vorüber war, würde Ragnar annehmen, dass die Ehe vollzogen worden und
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