Die Rache der Medica (Die Medica-Reihe) (German Edition)
durfte, von Ambros vertreten wurde. Es ging vor allem darum, dass sämtliche anwesenden Fürsten des Reiches dem jungen König ihre Aufwartung machen mussten und sich vor ihm verbeugten zum allgemeinen Zeichen dafür, dass sie seinen Herrschaftsanspruch anerkannten.
Ambros hatte, in seine repräsentativen Staatsgewänder gehüllt und mit der schlichten Krone auf dem Kopf, die schwierige Aufgabe, für jeden Fürsten und, falls sie dabei war, dessen Gemahlin ein freundliches Wort zu finden, bei Streitfällen nach Beratung mit seinen Beisitzern zu schlichten und, falls notwendig, eine Entscheidung zu fällen und bekanntzugeben. Die beiden Grafen zu seiner Seite gaben ihr Bestes, um Ambros nicht im Regen stehen zu lassen. Sie stellten vor, gaben flüsternd Ratschläge oder instruierten ihn, welche Anrede er wählen und welche Fürsten er besonders gnädig behandeln sollte, weil sie loyal auf seiner Seite standen. Es war ein anstrengendes, stundenlanges Procedere, das streng nach hierarchischen Gesichtspunkten und den geschriebenen und ungeschriebenen Gesetzen des höfischen Zeremoniells ablief. Ambros, dem die lange Nacht und das anschließende Bankett noch in den Knochen steckten, riss sich gewaltig zusammen und versuchte alles, um den guten Eindruck, den sein Auftritt in der Katharinenkirche hinterlassen hatte, nicht durch eine falsche oder unbedachte Äußerung oder Geste wieder zunichtezumachen. Im Großen und Ganzen verlief alles nach Plan, Ambros machte mehr und mehr einen aufgeweckten, ja munteren Eindruck. Seine anfängliche Müdigkeit schien auf einmal wie weggeblasen zu sein, seine ursprüngliche besorgte Ernsthaftigkeit und Nervosität wich, je näher seine angekündigte Rede rückte, einer gewissen Zappeligkeit, so als warte er nur darauf, aufzustehen und eine Ansprache zu halten. Chassim warf der Medica, die neben Bruder Thomas an der Seite des Baldachins saß, einen besorgten Blick zu, den diese mit aufmunterndem Lächeln erwiderte.
Anna war von Anbeginn an gespannt, wie sich der Erzbischof verhalten würde, sobald er seinen Auftritt hatte. Bis jetzt war er nicht anwesend, sie wusste auch genau, warum nicht. Die Frage war nur, wann er und seine Gefolgschaft ihre Unpässlichkeit überwunden hatten oder ob sie so geschwächt waren, dass sie gar nicht erst kommen konnten. Aber das glaubte sie nicht. Konrad von Hochstaden konnte und durfte sich die Gelegenheit einer Konfrontation mit dem König auf gar keinen Fall entgehen lassen, wenn er auch nur eine winzige Möglichkeit sah, ihn irgendwie doch noch zu Fall zu bringen.
Dann war Einlass für die einfachen Leute, natürlich handverlesen von Graf Georg und seiner Gemahlin persönlich, sonst hätte es das Fassungsvermögen der Halle gesprengt. Einzelne Bauern, Bürger und Bedienstete durften ihr Anliegen vortragen, wurden gehört oder, falls sie schreiben konnten, überreichten sie Bittschriften. Ein Schreiber notierte alles in einer riesigen Kladde, auf dass es dann besprochen und nötigenfalls ein Urteil gefällt oder eine Bitte erfüllt wurde.
Aber irgendwann war es dann genug, die einfachen Leute waren durch ein Seil, das von Wachsoldaten gehalten wurde, von den Adligen abgetrennt und mussten endgültig dahinter Aufstellung nehmen. Der Hofmeister, der die Oberaufsicht über den Ablauf der Zeremonie hatte, klopfte mit seinem Stock dreimal laut auf den Boden, so dass letzte Gespräche verstummten und Ruhe einkehrte.
Genau in diesem Moment, als Ambros schon aufstand, um seine Ansprache kundzutun und Chassim ihm noch einiges einsoufflieren wollte, entstand wieder Unruhe. Eine Gruppe von Fürsten, darunter Wilhelm von Holland, unter der Führung von Konrad von Hochstaden kam durch den Haupteingang, bahnte sich einen Weg durch die Menschen und platzierte sich in vorderster Reihe.
Anna und Bruder Thomas, die als Einzige den Grund für die Verspätung und die bleichen Gesichter der Ankommenden kannten, wechselten einen kurzen Blick. Jetzt spitzte sich die Situation wirklich zu.
Ambros wartete auf das Zeichen des Hofmeisters, der wieder dreimal mit seinem Stock auf den Boden klopfte, bevor er verkündete: »Ihr, die Ihr anwesend seid – verneigt Euch vor dem Sohn Friedrichs II ., dem Herzog von Schwaben, dem König von Jerusalem und dem zum König des Heiligen Römischen Reiches Gewählten, Konrad IV .!«
Alle im Saal senkten das Haupt und beugten das Knie.
Bis auf Konrad von Hochstaden.
Anna, die ebenfalls ihr Kleid gerafft und das Knie gebeugt hatte,
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