Die Rache der Medica (Die Medica-Reihe) (German Edition)
überkommen. Er war in der Burgkapelle im Beichtstuhl im Sitzen eingenickt, weil er dort auf Veit gewartet hatte, der einfach nicht kam.
Nach der langen Nacht und dem rauschenden Fest waren alle, ob Wachposten oder Fürst, Dienstmagd oder Gräfin, so müde, dass man annehmen konnte, jedermann auf der Burg und in Oppenheim ruhte in Morpheus’ Armen. Doch es gab Ausnahmen. Der kleine Friedrich, der halbjährige Sohn des Grafen und der Gräfin von Landskron, war hellwach und krähte vor Hunger. Aber er hatte eine Amme, die sich sofort um ihn kümmerte und ihn stillte.
Elisabeth von Bayern fand keinen Schlaf, weil sie nicht begreifen konnte, dass ihr zukünftiger Verlobter, der ihr so ein wunderschönes Gedicht hatte zukommen lassen, das ganze Fest über nicht ein einziges Mal zu ihr hingesehen hatte. Sie hätte sich so über ein kleines Zeichen, das nur für sie bestimmt war, gefreut. Warum nur hatte er sie mit demonstrativer Nichtachtung gestraft? Sie konnte sich das einfach nicht erklären, so sehr sie sich darüber den Kopf zerbrach.
Und dann waren da noch Konrad von Hochstaden und dessen Gefolge. Bei ihnen war an Schlaf nicht zu denken, weil sie ständig zur Latrine rennen mussten, die barmherzigerweise nicht weit von ihren Unterkünften entfernt war, denn sonst hätten sie es nicht immer rechtzeitig geschafft.
IV
I hr seht mich hier … Ihr seht mich hier stehen … als Euer … als Euer gesalbter, nein, gewählter König von … von Gottes Gnaden und … O mein Gott – ich kann das nicht! Ich kann mir das einfach nicht merken!« Ambros sank resigniert auf den Hocker und schüttelte verzweifelt den Kopf.
Sie waren wieder einmal in des Königs Gemach und probten. Ihre Nachtruhe war nur kurz gewesen, Anna hatte darauf bestanden, in aller Früh aufzustehen und erneut alles durchzunehmen. Drei Klippen musste Ambros noch umschiffen; drei Klippen, dann hatten sie es geschafft. Die Begrüßung und Aussprache mit den Fürsten und Vertretern des Volkes, anschließend die Rede, und dann, ja dann war da noch die größte von allen, die Klippe, von der Ambros noch gar nichts wusste, weil Anna sie ihm vorsichtshalber vorenthalten hatte. Am dritten Tag, dem Abschluss- und Verabschiedungstag, sollte das offizielle Heiratsversprechen zwischen Elisabeth von Bayern und Konrad IV . besiegelt werden. Anna schwitzte Blut und Wasser, wenn sie daran dachte. Sie hatten gemeinsam beschlossen, die Verlobung für Ambros vorerst auszuklammern. Die ersten zwei Tage ohne Zwischenfall über die Bühne zu bringen, war schon aufreibend und anstrengend genug für den jungen und unbedarften Burschen. Ihn dazu noch damit zu konfrontieren, einem ihm unbekannten Mädchen ein Heiratsversprechen vorzugaukeln – das erschien ihnen doch zu viel des Guten. Anna hatte dem Hütejungen schon verschwiegen, dass er eine Ansprache halten musste, weil sie ahnte, welche Schwierigkeiten er damit haben würde, denn Ambros konnte nicht lesen. Andernfalls hätten sie ihm den Text einfach auf ein Pergament geschrieben, und er hätte die Rede vom Blatt ablesen können. So musste er sie immer wieder aufs Neue anhören, wiederholen und auswendig lernen, aber Anna, Konrad, Chassim und Bruder Thomas konnten sie ihm noch so oft herunterbeten – sie wollte und wollte einfach nicht in seinen Kopf. Sei es, dass Ambros von der Mitternachtsmette und dem anschließenden Bankett noch so erschöpft und ausgelaugt war, dass er innerlich kapitulierte, sei es, dass es ihn einfach überforderte, in den gestelzten Formulierungen der höfischen Sprache zu reden.
Die Medica hatte insgeheim die leise Hoffnung, den wirklichen König so weit aufpäppeln zu können, dass er imstande sein würde, die Zeremonie auf eigenen Füßen durchzustehen. Aber das behielten sie und Bruder Thomas einstweilen für sich, sie mussten zusehen, dass sie die nächstliegenden Schwierigkeiten meisterten. Schritt für Schritt, eins nach dem anderen. Ambros war sowieso kurz davor durchzudrehen.
Anna tröstete ihn, aber Ambros war am Boden zerstört. Es hatte so fulminant angefangen, aber jetzt sah es ganz danach aus, als sei er am Ende der Fahnenstange und seiner Möglichkeiten angekommen. Sie waren ratlos, was sie tun sollten, aber wenn sie ihre eigene Unsicherheit zeigten, machte das Ambros nur noch nervöser, als er ohnehin schon war.
Also schlug Anna vor, eine Pause einzulegen. Sie hatte Ambros aus dem Tiefschlaf reißen müssen, er sah furchtbar müde aus. Sollte sie zum letzten Mittel
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