Die Rache der Medica (Die Medica-Reihe) (German Edition)
Kälte vermummte Meute in ausreichender Entfernung vorbeigaloppierte, dass der pulvrige Schnee nur so staubte und die gefrorene Erde zu beben schien.
Sie wartete, bis der Trupp außer Sichtweite und der letzte Hufschlag verklungen war, und wollte gerade wieder aufsitzen, als sie in ihrem Rücken Schritte im Schnee knirschen hörte, die auf sie zukamen.
II
B ruder Thomas war stinksauer. Erstens, weil ihn die Medica allein auf Burg Landskron zurückgelassen hatte. Und zweitens, weil sie ihn nicht in ihre Pläne einweihen wollte. Das wertete er als Vertrauensbruch, auch wenn sie mehrfach versucht hatte, ihn vom Gegenteil zu überzeugen. Ihm war klar, dass er der Einzige war, der sich in ihrer Abwesenheit um den König kümmern konnte. Aber dass sie auch noch allein aufgebrochen war, im ersten Morgenlicht – das war der Gipfel! Schließlich fühlte er sich für sie verantwortlich. Und da packte sie einfach das Nötigste zusammen, verschwand in der Burgkapelle, kam nach einer kleinen Ewigkeit wieder heraus, schwang sich auf ein Pferd, zog sich die Kapuze tief ins Gesicht und ritt durch das Burgtor hinaus. Am liebsten wäre er ihr heimlich nachgeritten, um sie wenigstens aus der Ferne zu beschützen, aber er war dazu verurteilt, den König keinen Wimpernschlag lang aus den Augen zu lassen. Selbst eine Reitereskorte, die der Graf ihr angedient hatte, hatte sie ausgeschlagen. Bruder Thomas durfte gar nicht daran denken, was er von Graf Chassim zu hören bekommen würde, wenn Anna auch nur das Geringste passierte, weil er sie im Stich gelassen hatte.
Dabei war es umgekehrt gewesen – sie hatte ihn im Stich gelassen.
Er hatte alles für den König getan, was sie besprochen hatten und darüber hinaus. Nach der Behandlung mit Klistier und Öl – der Burgherr hatte sogar teures Olivenöl in seiner Vorratskammer –, bei der ihm der Kammerdiener hilfreich zur Hand gegangen war, fiel der König in einen tiefen Erschöpfungsschlaf, wie es die Medica vorausgesagt hatte. Bruder Thomas blieb am Bett des Königs, studierte nebenher bei Kerzenlicht die verbotenen Schriften der Hildegard von Bingen, die er als Lektüre mitgenommen hatte, und sah stündlich nach Konrad, überprüfte seinen Atem, der regelmäßig war, genauso wie sein Herzschlag. Er schlief in der Vorkammer des Königs bei Nacht, schlich sich, wenn er glaubte, dass außer den Wachen niemand mehr in der Burg unterwegs war, in die große Küche, die hinten an die Empfangshalle angebaut war, steckte seine Nase in sämtliche Töpfe, Tiegel und Trinkgefäße, durchstöberte die Vorratskammern neben den Stallungen und eilte dann mit schlechtem Gewissen wegen seiner kurzzeitigen Abwesenheit wieder hinauf ins königliche Schlafgemach. Dessen Zugang war zwar ständig von zwei Wachen gesichert – die bärtige Wache, die Bruder Thomas außer Gefecht gesetzt hatte, war für einen anderen Dienst abgezogen worden, aber auch sie konnten insgeheim im Sold des Erzbischofs stehen. Bruder Thomas ging nicht das geringste Risiko ein, für ihn war jeder grundsätzlich verdächtig, ohne Ausnahme. Wenn er dann mit seiner Öllampe in der Hand leise das Schlafgemach betrat, inspizierte er zuerst den Holzboden rund um das Bett, den er vorsorglich mit Mehl bestreut hatte, ob dort vielleicht verräterische Fußspuren zu entdecken waren.
Seit er auf Burg Landskron war, musste er mit wenig Schlaf auskommen, der Zustand des Königs erforderte seine ständige Bereitschaft. Und falls er wirklich einmal dazu kam, einen Moment lang die Augen zu schließen, dachte er ständig an die Medica. Einen Schlaftrunk wollte er sich nicht zubereiten, aus Sorge um die Sicherheit des Königs. Wenn er dann doch noch in einen unruhigen Schlaf fiel, schreckte er beim geringsten Geräusch hoch, horchte, stand auf, warf einen Blick in das königliche Schlafgemach und gab Konrad bei Bedarf vom selbstgebrauten Kräutertrank zu trinken. Der König hatte großen Durst, was kein Wunder war, hatte er sich doch die letzten Wochen fast ständig übergeben und war zusätzlich wegen der häufigen Aderlässe durch großen Blutverlust geschwächt. Mittlerweile behielt er es bei sich, wenn er etwas getrunken hatte, was Anlass zur Hoffnung gab.
Graf Georg von Landskron erkundigte sich regelmäßig nach dem Befinden des Königs und berichtete, dass der Leibmedicus, der in seinem Stolz und seiner Berufsehre tief getroffen war, unter Protest die Burg verlassen hatte, nicht ohne dem Grafen vorher mitzuteilen, dass Konrad IV .
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