Die Rache der Medica (Die Medica-Reihe) (German Edition)
Nämlich dass derjenige, der für eine Essenszubereitung zuständig war, auch selbst davon kosten musste. Als Veit umstandslos von der Suppe probiert hatte, nahm auch Bruder Thomas einen Löffel von der köstlichen Brühe, tat noch eine gute Prise Salz hinein, schlürfte geräuschvoll, gab Veit mit einer Geste zu verstehen, dass er sie überaus gelungen fand, stülpte einen Deckel über den Topf und brachte diesen in höchster Eile, ihn vor sich hertragend wie eine unschätzbar wertvolle Reliquie, den Treppenturm hoch und den langen Gang entlang bis zum Zimmer des Königs, wo er ihm die Suppe, auf der Bettkante sitzend, Löffel für Löffel langsam einflößte. Zum ersten Mal hatte er das befreiende Gefühl, dass Konrad IV . nicht mehr aussah wie Lazarus – und zwar bevor ihn der Herr wieder von den Toten auferweckt hatte. Der junge König war auch wieder ansprechbar. Seit der Rosskur, nach der Anna und Bruder Thomas spürten, dass sein Leben nur noch an einem seidenen Faden hing, hatte Konrad geschlafen, nur kurzzeitig unterbrochen von kleinen Wachphasen, in denen er aber auch den Eindruck erweckte, als sei er nur halb bei Bewusstsein und dämmere vor sich hin.
Bruder Thomas hatte ihn jeden Tag gewaschen und ihm mit Hilfe des Kammerdieners eine frische Tunika übergezogen. Heimlich hatte er sogar, weil er sich für dieses Eingeständnis eines schon fast krankhaften Misstrauens ein wenig genierte, die frisch gewaschene und mit Rosenöl parfümierte Tunika und sogar das Bettzeug einer genauen Überprüfung und Riechprobe unterzogen, weil er einmal von einem Todesfall gehört hatte, bei dem die Todesursache ein mit Gift getränktes Untergewand gewesen sein sollte. Die Freude darüber, dass es mit dem Gesundheitszustand des Königs zunehmend aufwärtsging, wog nun doch stärker als sein Groll gegen die Medica, der inzwischen nach und nach verraucht war und einer zuversichtlichen Spannung wich. Sie würde doch noch rechtzeitig wieder auftauchen und mit einer Überraschung aufwarten, mit der kein Mensch gerechnet hatte, denn für so etwas war sie immer gut.
Zwar verbesserte sich der Zustand des Königs einerseits zusehends, andererseits war nicht im Entferntesten daran zu denken, dass er zum Hoftag antreten, seine Funktion als Herrscher ausüben und so seine Macht und Legitimation vor aller Welt demonstrieren konnte. In der Burg und an den Burganlagen wurde schon fieberhaft daran gearbeitet, alles für die zu erwartende große Anzahl illustrer Gäste vorzubereiten. Die Bediensteten wurden ausquartiert, und viele der bereits eingetroffenen Gäste mussten mit Ausweichquartieren in der Stadt unterhalb der Burg vorliebnehmen. Deren Wirte rieben sich über die willkommenen Zusatzeinnahmen erfreut die Hände und orderten fleißig neue Vorräte in Erwartung vermehrten Andrangs. Landauf und landab wussten die Leute inzwischen, dass an Weihnachten ein Hoftag in Oppenheim abgehalten werden sollte, was trotz der kalten und unwirtlichen Jahreszeit Händler, Kaufleute, Bauern, Gesindel und auch Hübschlerinnen zuhauf auf den Plan rief, die alle auf einträgliche Geschäfte aus waren. Essen, Trinken, Übernachtungen und Dienstleistungen wurden täglich teurer. Da man sich bei den Witterungsbedingungen nicht so lange im Freien aufhalten wollte und konnte wie zur Sommerzeit, waren die Gaststuben allenthalben bald restlos überfüllt.
Wenn der Graf einen Spaziergang mit einem wichtigen Gast durch die Stadt unternahm, um ihm Oppenheim zu zeigen und einer Messe in einer der Kirchen beizuwohnen, wurde ihm zunehmend unwohler bei dem Gedanken, worauf er sich da eingelassen hatte, indem er Anna Glauben geschenkt hatte, sie werde schon dafür sorgen, dass der Hoftag wie vorgesehen über die Bühne gehen würde. Je näher Weihnachten kam, desto mehr wurde aus dem mulmigen Gefühl des Unbehagens ein furchtbares Eingeständnis dessen, dass er sich mit der Zusage einer normalen Abwicklung aller Vorbereitungen, die zudem eine enorme Summe verschlang, einen Bärendienst erwiesen hatte. Jetzt gab es kein Zurück mehr, auch wenn er es gewollt hätte, der Rubikon war überschritten.
Auf die Frage, was denn mit dem König sei – und diese Frage wurde öfter gestellt, als ihm lieb sein konnte –, antwortete er stets, Konrad IV . sei unpässlich und habe sich zurückgezogen, um sich ganz der Heiligen Schrift und seinem Auftritt am Hoftag zu widmen. Er wolle sich erst zeigen, wenn der Hoftag mit einer feierlichen Messe in der halb erbauten und
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