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Die Rache der Medica (Die Medica-Reihe) (German Edition)

Die Rache der Medica (Die Medica-Reihe) (German Edition)

Titel: Die Rache der Medica (Die Medica-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Geiges
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wirklich funktionierte. Dabei gab es unendlich viele Unwägbarkeiten und Kalamitäten, die ihre gewagte Unternehmung wie ein Kartenhaus zum Einsturz bringen würden. Sie zwang sich dazu, nicht ständig alle Möglichkeiten gedanklich durchzuspielen, die schiefgehen konnten. Sie setzte auf die »Chuzpe«, wie ihr jüdischer Medicus gesagt hätte. Chuzpe war Grundlage und Voraussetzung für ihr Vorhaben. »Hilf dir selbst, so hilft dir Gott« – nach dieser Devise handelte sie, eine Devise, die sie schmerzlich genug gelernt und verinnerlicht hatte. Sie durfte einfach nicht zulassen, dass die teuflischen Strategien des Erzbischofs aufgingen. Das war sie sich, dem König und ihrem Gewissen schuldig.
    Außerdem kam noch etwas hinzu, das sie niemandem gegenüber zugeben würde, weil es nicht mit dem christlichen Verständnis von Nächstenliebe und Vergebung in Einklang zu bringen war. Sie wollte ausgleichende Gerechtigkeit. Oder, alttestamentarisch ausgedrückt: Auge um Auge, Zahn um Zahn – sie wollte schlicht und einfach Rache.
    Rache, weil die Schergen des Erzbischofs den Tod ihrer Ziehmutter verursacht hatten. Anna hatte sie geliebt wie eine leibliche Mutter – die ihre hatte sie nie kennengelernt.
    Rache, weil der Erzbischof ihren Infirmarius Pater Urban vergiften hatte lassen, was sie aber nie beweisen konnte.
    Rache, weil er sie mit einer Krankheit anstecken ließ, die wie Lepra aussah, sie deswegen aus dem Kloster vertrieb und so dem sicheren Tod ausgesetzt hatte.
    Rache, weil er sie wegen Häresie auf den Scheiterhaufen bringen wollte.
    Rache, weil er ihren Liebsten, Graf Chassim, den sie nun doch allmählich schmerzlich vermisste, durch einen hinterlistig ausgeführten Turnierunfall beinahe getötet hätte.
    Und nicht zuletzt Rache, weil er erneut einen Giftanschlag auf sie und Bruder Thomas in Auftrag gegeben hatte und den König langsam und qualvoll vergiften wollte.
    Wenn das nicht genügend hinreichende Gründe für Vergeltung waren …
    Bisher war Konrad von Hochstaden stets ungeschoren davongekommen. Vor ein weltliches Gericht konnte sie ihn deswegen nicht zerren, obwohl sie das in ihren nächtlichen Träumen gern getan hätte. Und auf ein himmlisches wollte sie nicht warten.
    Es war an der Zeit, den Erzbischof einmal seine eigene Verderbtheit und Skrupellosigkeit schmecken zu lassen. Woher nahm Konrad von Hochstaden, geschützt durch seinen Rang und seine Machtfülle, sich die Frei- und Frechheit heraus, über dem Recht zu stehen? Weil er als Erzbischof glaubte, dem Allmächtigen näher zu sein als gewöhnliche Menschen? Weil er Gottes Stellvertreter auf Erden war? Sah er sich so? Durfte er sich deshalb selbst zum obersten Richter, zum Herrn über Leben und Tod, aufschwingen?
    Keines von seinen Verbrechen konnte ihm nachgewiesen oder auf ihn zurückgeführt werden. Aber so leicht wollte es ihm Anna nun doch nicht machen. Ihm, der immer noch größer und mächtiger geworden war und in seiner selbsterschaffenen Gloriole aus Erhabenheit, Gottesgnadentum und Mittlerrolle zwischen Himmel und Erden ein strenges, aber makelloses Bild für diejenigen abgab, die ihn nur in seiner Macht und Herrlichkeit sahen, wenn er sich in vollem Ornat präsentierte und an hohen kirchlichen Festtagen die heilige Messe höchstselbst zelebrierte.
    Eine unbedeutende Medica wie sie war außerstande, den Machenschaften so eines Gegners eine Grenze zu ziehen oder gar ein Ende zu setzen. Aber wenigstens würde sie ihr Möglichstes tun, ihn zu behindern und ihm in die Quere zu kommen, wo sie nur konnte. Ihn in seiner ganz großen Verschwörung gegen die legitimen Interessen der Staufer und die Einheit des Reichs scheitern zu lassen, gab ihr doch klammheimlich ein großes Gefühl der Genugtuung.
    So wurde Annas Energie und Entschlossenheit aus mehreren Quellen gespeist, die alle ein Ziel hatten: Konrad von Hochstaden auf dünnes Eis zu führen und ihn dann, vor aller Welt, einbrechen zu lassen.
    Bevor Anna in aller Herrgottsfrüh von Burg Landskron losgeritten war, noch vor Einbruch der Dämmerung, hatte sie, die in der Nacht kein Auge zugetan, sondern nur über ihre Vorgehensweise nachgedacht hatte, beschlossen, noch einmal die Burgkapelle aufzusuchen. Sie hatte ihren kindlichen Glauben an Gott und daran, dass der Allmächtige jederzeit seine schützenden Hände über sie hielt, verloren, und diese bittere Gewissheit schmerzte sie bisweilen immer noch. Der einfache, kindliche Glaube war wie eine Schutzmantelmadonna für sie

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