Die Rache Der Nibelungen
sein sollen, folgte ihrem Blick über das Meer. »Was dann? Wartest du schon wieder auf einen jungen Krieger, dem du das Herz brechen kannst, wenn er von der Schlacht heimkehrt?«
Sie drehte sich zu ihm um. »Dann hätte ich eine Schüssel Suppe bei mir, oder nicht?«
Er lächelte nun auch. »Wer weiß – vielleicht haben die Jahre deine Methoden geändert.«
Sie küsste ihn ganz sacht auf die Lippen, wie damals, als sie – noch Kinder fast – auf den Mauern der Burg in Worms gestanden hatten. »Nichts wird sich jemals ändern. Meine Liebe für dich ist so ewig wie das Meer.«
Gernot zog sie an sich heran, und sein pelzbesetzter Umhang nahm sie auf. Er küsste erst ihre Nasenspitze, dann ihre Stirn. »Geht es dir besser?«
Sie rang sich ein Lächeln auf ihre Lippen. »Besser. Was hatten die Boten zu berichten?«, fragte Elsa, obwohl sie die Antwort fürchtete.
Gernot versuchte sich nichts anmerken zu lassen, aber sie spürte, wie sich seine Augenbrauen zusammenzogen. »Was sollten sie berichten? Das Übliche – eine Missernte hier, eine Hochzeit da. Der König der Franken ist im Bett seiner Geliebten verstorben. Alles das, was man sich so erzählt.«
»Wenn es nur das Übliche war – dann haben die Boten lange gebraucht, es zu erzählen«, stellte sie fest, mit dem Vorsatz, Gernot daraus keinen Vorwurf zu machen.
Es stimmte – zum Abendmahl hatten der König und seine Ratgeber die Boten empfangen, die im Auftrag Islands Neuigkeiten zusammentrugen. Elsa hatte schon geschlafen, als Gunther zu ihr auf das Lager kam. Und nun neigte sich der neue Tag dem Ende entgegen, und sie waren noch nicht fertig. Was konnte so wichtig sein, dass es so ausführlich besprochen werden musste?
Gernot atmete tief ein. »Es gibt nur ... Gerüchte. Dummes Gerede trunkener Herumtreiber.«
»Aus Burgund?«
Er schüttelte den Kopf. »Nicht mehr, seit die Römer dort am Rhein wieder selber verwalten. Es geht um ... Xanten.«
Obwohl sie im Umhang ihres Mannes warm eingepackt war, begann Elsa zu zittern. Xanten, das war Siegfried. Und Siegfried – das betraf Sigurd. Auch wenn er es nicht wusste.
»Wulfgar«, flüsterte Elsa. Sie hatten den Namen seit Jahren nicht mehr ausgesprochen. Obwohl sie den Herrscher von Xanten nicht kannte, flößte sein Name ihr düstere Angst ein.
Gernot mühte sich, seine Stimme unbesorgt klingen zu lassen. »Wulfgar ist ein Provinzkönig, ein größenwahnsinniger Stammesfürst, der das Glück hatte, auf ein verwaistes Reich zu stoßen, das nach Führung dürstete. Er musste nicht einmal darum kämpfen – es fiel ihm in den Schoß wie eine reife Frucht. In mehr als zehn Jahren hat er Xanten kein Glück gebracht.«
»Was ist es dann?«, wollte Elsa wissen.
Gernot räusperte sich. Die kalte Luft hatte seinen Lungen nie gut getan, auch wenn er es tunlichst vermied, sich das anmerken zu lassen. »Es heißt, Wulfgar stelle ein Heer auf.«
Es lag keine Gefahr in dem, was Gernot sagte. Seit dem Zusammenbruch der Reiche von Burgund bis Dänemark wurde überall auf dem Kontinent Krieg geführt, malkleiner, mal größer. Es gab Grenzkriege und Eroberungskriege, Erbfolgekriege und Vergeltungskriege. Kein Tag, an dem nicht ein Königreich dem anderen mit Eisen zu Leibe rückte.
Aber dennoch – Xanten ...
Gernot konnte in Elsas Augen lesen, und er streichelte beruhigend ihren Kopf. »Sorge dich nicht. Es ist ein kleines Reich unter kleinen Reichen. Wulfgar kann vielleicht ein paar umliegende Burgen belagern, aber für einen großen Feldzug ist er nicht gerüstet.«
»Was, wenn Island sein Ziel ist?«, flüsterte Elsa. Sie traute sich nicht, die Frage laut zu stellen.
Gernot lachte, so laut wie falsch. »Warum nur sollte er das tun? Soll er seinem ärmlichen Besitz einen noch weit ärmlicheren Besitz hinzufügen? Wo läge da der Sinn? Nein, wenn Wulfgars Blut vor Machtgier rauscht, dann wird er sich mit den Sachsen anlegen – oder Dänemark. Und König Dagfinn ist gut vorbereitet.«
»Wir sind es nicht«, stellte Elsa fest.
Gernot straffte den Rücken. »Island ist in seiner Geschichte niemals angegriffen worden. Es gibt hier nichts, mit dem ein Eroberer sich schmücken könnte. Und du weißt, was wir besprochen haben.«
»Keinen Krieg mehr«, murmelte Elsa.
»Keinen Krieg mehr«, wiederholte Gernot.
Aus dem Innern der Burg ertönte eine hohe, helle Stimme, die Elsas Namen rief.
Gernot lächelte. »Lass uns reingehen, deine Tochter verlangt nach deiner Aufmerksamkeit. Außerdem – so wenig, wie
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