Die Rache Der Nibelungen
gefiel ihm nicht, dass Gunther Verständnis für Siegfrieds Werben um die Prinzessin Kriemhild hatte. Doch es war leicht, durch wenige gewählte Sätze dieses Übel im Sinne Hagen von Tronjes aus der Welt zu schaffen: Warum dem jungen Schmied die Prinzessin nicht versprechen, falls es ihm gelänge, den Drachen zu töten? Sollte der Tor in sein Verderben rennen, und das Problem löste sich von selbst. Leider hatte mein Vater, den ich ungern Vater nenne, nicht mit dem Auftauchen von Laurens gerechnet, der einst Siegfrieds Mutter vom Schlachtfeld geführt hatte. Obwohl die Klinge Regins ihm schnell das alte Leben austrieb, konnte Laurens noch dafür Sorge tragen, dass Siegfried endlich von seinem Erbe erfuhr, von seinem Vater – und von dem Reich Xanten, das rechtmäßig ihm zustand! Es gab ihm die Kraft, die Teile des Schwerts Nothung zu schmieden, die Laurens im Gepäck gehabt hatte. Und als der Morgen graute, war aus dem Schmied Siegfried der Thronfolger Xantens geworden, der Träger Nothungs, und der Herausforderer Fafnirs!
Es liegt im Schicksal, dass die Glorie Siegfrieds von Blutdurst kündete ...
So zog Siegfried also in den Wald zu Fafnir, die Tränen Kriemhilds und die feierliche Krönung Gunthers hinter sich lassend. Nur die schrecklichen Wunden der Opfer des Drachen lassen erahnen, welchem Kampf sich der junge Schmied gestellt haben muss; wie das Fleisch dem Feuerodem widerstand; wie seine Klinge schließlich den Schädel der Bestie zwischen den Augen durchbohrte. Was Siegfried zum Helden machte, waren weder das Schwert noch der Mut: es war der unbedingte Wille, Kriemhild zu besitzen.
Jahre später erst habe ich erfahren, dass während all dieser Zeit ein weiteres Herz an anderer Stelle vor Sehnsucht verging: Die stolze Brunhilde von Island in ihrem eisigen Schloss wartete auf den Freier, der nicht kam, auf den einzigen Mann, der sie bezwingen konnte. Sie hatte als junges Mädchen am Rhein einen Schmied getroffen, und sie hatten sich einander versprochen. Doch während Siegfrieds Feuer für Brunhilde in den Flammen der Liebe zu Kriemhild erstickt war, wuchsen von Jahr zu Jahr die Verzweiflung und der Hass im Herzen der Königin von Island. Viele Prinzen, die um sie freiten, schickte sie in den Tod, um den Platz an ihrer Seite für einen Mann freizuhalten, der sie vergessen hatte.
Was das mit Burgund und dem Drachen zu tun hat? Noch nichts. Aber der geneigte Leser dieser Zeilen möchte den Sturm am Horizont im Auge behalten, der aus dem Norden kommt ...
Derweil trat der in der Kirche von Worms gekrönte Gunther vor sein Volk, bejubelt trotz der schweren Zeit. Und im Jubel schleppte Siegfried einen hölzernen Schlitten in die Stadt, beladen mit dem Gold der Nibelungen – und dem Haupt des Drachen Fafnir! So feierte Burgund an diesem Tag zwei Helden, den König und den Retter, die eigentlich eins hätten sein sollen. Mein Vater wusste das. Und er wusste auch, dass man den Nibelungen nicht ihr Gold nahm, ohne auch ihren Fluch mitzunehmen ...
Doch für düstere Gedanken schien die Zeit vorbei. Der Drache war tot, die Liebe zwischen Kriemhild und Siegfried nun gesegnet, und König Gunther konnte ein freies Land regieren.
Ist Frieden die Zeit zwischen zwei Kriegen? Oder Krieg die Zeit zwischen friedlichen Jahren? Wie dem auch sei, die Kenntnis um Siegfrieds Herkunft zwang bald auch die Männer von Burgund zu den Waffen, denn der Xantener Thronfolger wollte sich sein Erbe holen, um dann als König seine Prinzessin heiraten zu können. Es war ihm nicht genug, reich und beliebt zu sein – es dürstete ihn nach einer Krone. Es dürstete ihn nach zu viel.
Trotz aller Freundschaft zwischen Siegfried und Gunther fiel es meinem Vater nicht schwer, Misstrauen zu säen: König Siegfried von Xanten mit der Prinzessin von Burgund als Gattin – wie leicht konnten die Reiche dann verbunden werden, wie schnell war Gunther dann nur noch Staffage, wenn Kriemhilds Schoß die Blutlinie bestimmte? Um seine Macht, Gunthers Macht, zu festigen, musste er selbst eine Königin an seiner Seite haben, die seinen Thronfolger zur Welt brachte. Nur im Gleichgewicht der Macht lag die Chance auf dauerhaften Frieden. So flüsterte es mein Vater zumindest dem König ein.
Während Gunther und Siegfried mit dem Heer der Burgunder gegen Xanten zogen, plante Hagen bereits für seinen König die nächste Reise: Nach Island, zur einsamen Königin Brunhilde, die eine würdige Gattin auf dem Burgunder Thron abgeben würde ...
In Liedern wird
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