Die Rache Der Nibelungen
dabei gewesen, das Gepäck zusammenzuraffen, immer noch hätte sich das Schicksal wenden lassen.
Ich bin zu alt, um mich dafür zu schämen, dass ich mir in jenen Tagen Stunden stahl, um mit Gernot küssend im Wald die Zeit zu vergessen. Unsere Liebe mochte bei Hofe keinen Respekt finden, zu unterschiedlich war unser Stand, aber sie war makellos und rein. Keine Intrige konnte uns schrecken, und die Kabalen im Schloss erschienen uns nichtig im Vergleich zu jeder Berührung unserer Körper. Aneinandergepresst an einer alten Eiche wurden wir auch Zeugen eines erbitterten Streits zwischen König Gunther und meinem Vater Hagen. Es war klar, dass Siegfried Dinge wusste – Dinge, die Ehre und Ehe des Königs von Burgund mit einem Satz zu Staub zerfallen lassen konnten. Gunther vertraute seinem Freund, doch mein Vater verstand es, Misstrauen zu säen: Nur ein toter Siegfried würde seinen Mund versiegeln. Ich weiß noch, wie entsetzt Gunther ob des innewohnenden Vorschlags war – und wie klar mir war, dass er ihn doch annehmen musste, sollte der Tag kommen ...
Zu viele Menschen, die an den folgenden Ereignissen beteiligt waren, sind lange tot, und es fällt mir schwer, die Details zu einem Bild zu ordnen. Allem Anschein nach spann mein Vater eine Intrige, die Siegfried dazu brachte, an einem Jagdausflug teilzunehmen. Er trank aus einer Quelle, Nothung an seiner Seite, als die Lanze meines Vaters seinen Rücken durchbohrte. Das Schwert des Xantener Geschlechts zerbrach. Der herbeigeeilte Gunther konnte nichts mehr tun, als Hagen eigenhändig zu richten. Hätte ich nicht zuvor beider Gespräch belauscht, ich hätte es vielleicht für eine Ehrentat gehalten. So war es jedoch nur der feige Versuch, den letzten Zeugen zu meucheln.
Nicht nur Xanten verlor an dem dunklen Tag den König – Burgund verlor die Königin. Brunhilde konnte es kaum erwarten, an Siegfrieds Seite in Walhall einzuziehen, und so provozierte sie die Hand ihres Mannes, auf dass er sie erstach. Gunther, nun verantwortlich für den Tod seines besten Freundes und seiner Frau, zerbrach an der Schuld. Er war fortan ein Schatten, die Schuld im Wein ertränkend, von unstetem Geist und zerrüttetem Verstand. Man munkelte, dass er in einsamen Stunden noch mit meinem Vater sprach, dessen Leichnam er in den Rhein hatte werfen lassen.
Brunhilde und Siegfried hingegen wurden Seite an Seite verbrannt, wie es Brauch war.
Wir hofften alle innig, dass der Fluch der Nibelungen damit gebrochen war, dass genug Blut geflossen war, um endlich die Düsternis von den Reichen zu nehmen. Doch wir irrten, denn weiter standen zu viele Lügen in der Welt. Gunther hatte Kriemhild glauben gemacht, dass er Hagen für den feigen Mord an Siegfried gerichtet hatte, nicht ahnend, dass Gernot und ich es besser wussten. Ich gebe zu, es war der Moment, in dem Gernot selber Schuld auf sich nahm, aber was sollte er tun? Er tat es aus Liebe zu mir, aus Verzweiflung, und aus der Unfähigkeit, weitere Lügen auszusprechen.
Es begab sich nämlich, dass Kriemhild endlich nach Xanten ziehen wollte, um den verwaisten Thron zu übernehmen. Gernot sollte als ihr Bruder über Dänemark herrschen, das nach Hjalmars Tod Siegfried und damit auch Kriemhild zugefallen war. Doch die Tat meines Vaters Hagen gegen Siegfried hatte in Kriemhild den Hass auf die Tronjer entfacht. Als sie erfuhr, dass Gernot mich an seiner Seite wollte, da verbot sie es ihm in klaren Worten. Kein Tronjer Blut am Xantener Hof! Und mein Geliebter, in seiner Not, erzählte von Gunthers Wissen um Hagens Plan. Es war der Moment, in dem alles, was noch an Güte in Kriemhild war, erstarb. Sie wurde Brunhilde ähnlich, die kalt nur noch auf Rache gesonnen hatte, das eigene Leben missachtend.
Obwohl Gernot sie anflehte, die Dinge auf sich beruhen zu lassen, fasste Kriemhild einen Plan, mit dem sie Brunhilde in keiner Weise nachstand: In Xanten regierte sie weise und sorgsam, das Reich wieder zu einer starken Macht bauend. Sie brachte das letzte Geschenk ihres toten Gatten zur Welt: Jung Siegfried, den wir Sigurd nennen, weil seine Name keine Verpflichtung sein darf.
Dann vermählte sich Kriemhild mit Etzel, den sie einst zu Siegfrieds Gunsten abgewiesen hatte. Ein großes Fest in Gran, wo die Hunnen sich niedergelassen hatten, wurde ausgerichtet. Kriemhild lud ihren Bruder Gunther ein, der zunehmend dem Wahn und dem Wein verfiel. Gernot hingegen wollte sie nicht sehen – wir dachten, ihr Groll gegen mich sei noch zu groß, um seine
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