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Die Rache Der Wache

Titel: Die Rache Der Wache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Asprin
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bin müde. Ich fliege auch nicht weit. Aber während des Tages kann ich nicht fliegen, auch nicht wenn der Mond zunimmt. Wenn ich jetzt nicht rauskomme, kann ich erst in einigen Tagen wieder fliegen.«
    »Ja. Sei vorsichtig.«
    »Ich bleibe nicht lange aus.« Sie glitt seitlich durch das Fenster und kletterte die rauhe Gebäudefront hoch. Ihre Krallen kratzten auf den luftgetrockneten Ziegeln. Sie hörten über sich drei sanfte Schritte, dann das Rauschen von Flügeln — Aerie flog.
    Die anderen schoben die Betten zur Seite und breiteten ihre Decken nebeneinander auf den Boden. Quartz schlang den Ledervorhang um einen Haken in der Wand und stellte die Kerze auf das Fenstersims.
    Chan drückte Wess an sich. »Ich bin noch niemandem begegnet, der so schnell war wie Lythande. Wess, Liebste, ich fürchte, er hätte dich töten können, ehe ich ihn überhaupt bemerkte.«
    »Es war dumm, einen Fremden so vertraut anzusprechen.«
    »Aber was er sagte, hilft uns sicher weiter.«
    »Ja, vielleicht war es die Angst wert.« Wess blickte aus dem Fenster, sah aber nichts von Aerie.
    »Warum hieltest du Lythande für eine Frau?«
    Wess sah Chan forschend an. Er erwiderte ihren Blick fragend.
    Er weiß es nicht, dachte Wess erstaunt. Er hat nicht gemerkt ...
    »Ich — keine Ahnung«, sagte sie. »Ein dummer Fehler. Davon habe ich heute viele gemacht.«
    Zum erstenmal in ihrem Leben hatte sie einen Freund absichtlich angelogen. Sie fühlte sich übel, und als sie das Kratzen von Krallen auf dem Dach über sich hörte, hatte sie einen Grund mehr, sich zu freuen, daß Aerie zurückgekehrt war. In diesem Augenblick hämmerte der Wirt an ihre Tür, um auszurichten, daß das Bad bereit sei. In dem Durcheinander, Aerie ins Zimmer und in ihren Mantel zu bekommen, ehe sie die Tür öffneten, vergaß Chan die Frage nach Lythandes Geschlecht.
    Unter ihnen im Einhorn verstummten die lauten Lustbarkeiten allmählich. Wess zwang sich, still zu liegen. Sie war so müde, daß sie meinte, die Welt um sie herum risse sie wie die Strömung eines Flusses fort, aber einschlafen konnte sie nicht. Sogar das Bad, das erste warme Bad, seit sie von Kaimas fortgezogen waren, hatte sie nicht entspannen können. Quartz lag stark und warm an ihrer Seite, und Aerie schlief zwischen Quartz und Chan. Wess neidete Aerie und Quartz ihre Plätze nicht, aber sie lag gern in der Mitte. Sie wünschte, einer ihrer Freunde wäre wach, um sich mit ihr der Liebe hinzugeben, aber an dem gleichmäßigen Atmen hörte sie, daß alle tief schliefen. Sie kuschelte sich an Quartz, die im Traum nach ihr griff und sie umarmte.
    Die Dunkelheit schien ihr endlos, die Dämmerung war fern.
    Schließlich schlüpfte sie aus Quartz' Armen und unter der Decke hervor, zog leise Beinkleider und Hemd an, und schlich barfuß die Treppe hinunter und hinaus. An der Türschwelle zog sie die Stiefel an.
    Der Mond spendete sein schwaches Licht, mehr brauchte Wess nicht. Die Straße war leer. Ihre Schritte hallten auf den Pflastersteinen, und die nahen Lehmziegelwände warfen das hohle Echo zurück. Ein so kurzer Aufenthalt in der Stadt sollte sie eigentlich nicht so verunsichern, trotzdem fühlte sie sich nicht wohl in ihrer Haut. Sie beneidete Aerie um die Fähigkeit, ausbrechen zu können, egal, wie kurz und wie gefährlich es sein mochte. Wess ging die Straße hinunter und prägte sich sorgfältig den Weg ein. Sich in dem Wirrwarr von Straßen, Wegen, Durchgängen und Sackgassen zu verlaufen, wäre kein Kunststück.
    Ein Stiefel schleifte über die Pflastersteine, das Geräusch riß sie aus ihren Gedanken. Sie wollten ihr folgen? Sie wünschte, wem auch immer, viel Glück.
    Wess war Jägerin. Sie stellte ihre Beute so leise, daß sie sie mit dem Messer töten konnte. In dem dichten Regenwald, in dem sie zu Hause war, trafen Pfeile nicht sicher genug. Einmal war sie unbemerkt so nahe an einen Panther herangeschlichen, daß sie seinen weichen Pelz streicheln konnte; dann verschwand sie und lachte, während die Raubkatze wütend und beleidigt brüllte. Sie grinste und ging schneller, ihre Schritte auf dem Stein waren nicht mehr zu hören.
    Sie kannte sich hier nicht aus, was sie ein wenig behinderte. Eine Sackgasse könnte zu einer Falle werden. Aber zu ihrer Freude stellte sie fest, daß ihre Begabung, gute Pfade zu finden, sie in der Stadt nicht verlassen hatte. Einmal fürchtete sie, umkehren zu müssen, doch durch die Mauer, die ihren Weg versperrte, verlief ein tiefer, diagonaler Riß. Er bot

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