Die Rache Der Wanderhure
nicht.
Der Herzog nahm die winzige Büchse entgegen, öffnete sie und zog einen Zettel heraus. Um diesen lesen zu können, musste er die Augen zusammenkneifen, so klein war die Schrift. Nach einer Weile reichte er ihn schnaubend an Hettenheim weiter.
»Hier, das betrifft Euch! Euer Vetter erteilt Euch neue Befehle.«
Verwundert blickte Hettenheim auf das Zettelchen und entzifferte mühsam die kleinen Buchstaben. Als es ihm gelungen war, musste er an sich halten, um nicht lauthals zu fluchen.
»Was denkt Sigismund sich dabei?«, rief er empört.
»Er hofft, einen geschickten Schachzug zu tun. Gelingt er ihm, wird es die Lage hier an der Grenze vollkommen verändern.«
Zufrieden, weil ihm nicht der Befehl erteilt worden war, weiter vorzurücken, lehnte Adalbert von Sachsen sich gemütlich in seinem Stuhl zurück und amüsierte sich über Hettenheim, der seine Wut offen zeigte.
»Ihr werdet den Befehl befolgen müssen, wenn Ihr Sigismund nicht erzürnen wollt«, sagte er und hoffte, mit Sigismunds Anweisung nicht nur den impertinenten Grafen, sondern auch den Inquisitor loszuwerden.
Hettenheim begriff die Absicht des Herzogs und schnaubte leise. »Ihr werdet erlauben, dass ich mich in meine Unterkunft zurückziehe und alles vorbereite.«
Ohne eine Antwort abzuwarten, verließ er das Zelt und vergaß über Sigismunds eigenartigem Befehl sogar den noch halbvollen Becher Wein.
Schnell griff der Herold nach dem Gefäß und trank es leer, ohne einmal abzusetzen. Anschließend verbeugte er sich um etliches ehrerbietiger vor seinem Herrn als eben vor dem Grafen und fragte, ob dieser Anweisungen für ihn habe.
»Halte ein Auge auf Hettenheim und diesen Mönch und berichte mir, ob sie beide das Lager verlassen oder ob ich mir morgen erneut das Geschwätz anhören muss, dass die Ketzer auf der Stelle zu vernichten seien.«
Auf sein Zeichen füllte der Diener den Becher des Herzogs. Während Adalbert von Sachsen sich den Wein schmecken ließ, fragte er sich, wie Janus Suppertur auf Sigismunds Befehl reagieren würde.
3.
H ettenheim platzte in sein Zelt und blieb zornglühend vor dem Inquisitor stehen, der sich gerade dort niedergelassen hatte. »Jetzt ist Sigismund endgültig verrückt geworden! Ich soll Sokolny die Handbüchsen überbringen, die uns bisher die Überlegenheit gegenüber unseren Feinden garantiert haben.«
Bevor Ruppertus darauf antworten konnte, trat Eberhard ins Zelt. »Verzeiht, aber ich bin zurückgekommen, weil mir etwas aufgefallen ist. Zwar haben wir kein Zeichen gefunden, welches darauf hindeutet, wohin die Herren Loosen und Haidhausen verschwunden sind, dafür aber eine Karrenspur, die nicht älter sein kann als drei Tage und Richtung Osten führt. Von einem Wachtposten am Lagertor habe ich erfahren, dass der Gaukler Nepomuk in derselben Nacht aufgebrochen sein soll, in der Loosen und Haidhausen die Frau aus dem Lager gebracht haben.«
»Also doch Verrat!«, schäumte Ruppertus, während ein Teil in ihm zu jubeln begann. Wenn es Marie gelungen war, die Ritter dazu zu bewegen, sie am Leben zu lassen und ihr auch noch die Flucht zu ermöglichen, dann war sie doch seine von Gott erwählte Braut. Das hieß aber, sie rasch einzufangen und in strenger Obhut zu halten, bis das große Werk getan war.
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Frau meinen Rittern entkommen ist«, mischte Hettenheim sich ein. »Allen anderen ja, aber Loosen und Haidhausen gewiss nicht.«
»Sie ist eine Auserkorene des Herrn und vermag Dinge zu vollbringen, die ein kleiner Mensch wie Ihr nicht versteht«, erklärte Ruppertus hochmütig.
Der Ausdruck »kleiner Mensch« kränkte den Grafen zutiefst, denn er hielt sich für einen Edelmann vornehmster Abkunft und war als Sigismunds engster Verwandter der nächste Anwärter auf den Thron und die Kaiserkrone.
Sein störrischer Gesichtsausdruck warnte Ruppertus, zu weit zu gehen. Noch brauchte er Hettenheim, und daher legte er ihm scheinbar freundschaftlich den Arm auf die Schulter. »Ich fühlte, dass Marie lebt und geflohen ist. Helft mir, sie wieder einzufangen, und macht damit die Dummheit Eurer beiden Ritter wett.«
»Aber warum sollte sie ausgerechnet nach Osten fliehen?«, fragte Hettenheim scharf.
»Weil sie fest davon überzeugt ist, dass ihr Mann noch lebt. Ihr selbst habt ihn doch weiter im Osten getötet.«
»Eher im Südosten, an der Grenze zu Sokolnys Land. Genau an der Straße, die ich nehmen müsste, wenn ich dem Grafen die Handbüchsen überbringen
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