Die Rache Der Wanderhure
der schier zu zerspringen drohte. »Ich weiß es nicht! Ich weiß rein gar nichts mehr!«
Marat war zuerst der Meinung gewesen, der Deutsche würde ihm vorgaukeln wollen, das Gedächtnis verloren zu haben, um einem scharfen Verhör zu entgehen. Doch als er die verzweifelte Miene des Fremden wahrnahm, wich sein Misstrauen, und er zuckte bedauernd mit den Achseln.
»Schade! Dabei hatte ich gehofft, du könntest mir erzählen, wie es auf der anderen Seite aussieht.«
»Welche andere Seite?«
»Ich meine bei den Truppen des Königs, den Deutschen. Du bist doch Deutscher?«
Michel versuchte sich zu erinnern, was ein Deutscher war, und blickte dann hilflos zu Boden. »Es tut mir leid, doch ich weiß nur, dass ich eben aufgewacht bin und geglaubt habe, einem Teufel in die Hände gefallen zu sein.«
»Den Teufel kennst du, aber nicht deinen Namen?« Marat begann zu lachen, sagte sich dann aber, dass der Fremde sicher wenig Freude an dieser Tatsache hatte. »Wenn es stimmt, was du sagst, würdest du gegen deinen eigenen Bruder kämpfen und ihn erschlagen, weil du nicht mehr weißt, wer er ist!«
»Ich hoffe, dass Gott dies verhindern wird!«, antwortete Michel erschrocken.
»Gott kennst du also auch. Ganz kann dein Gedächtnis nicht verschwunden sein. In dem Fall hättest du auch neu sprechen lernen müssen. Wenigstens das ist uns erspart geblieben. Aber komm jetzt! Ich will sehen, ob der Hammeleintopf gar ist. Wenigstens muss ich dich nun nicht mehr füttern wie in den letzten Tagen. Du hast fast immer geschlafen, und ich bekam dich kaum wach genug, um dir Wasser oder Brei einzuflößen.«
Marat stieß seinen Dolch in die Scheide und ging zu dem Kochkessel. Während er darin herumrührte und mit einem hölzernen Löffel probierte, schämte Michel sich, weil er den Hammeleintopf für ein Hexengebräu gehalten hatte.
11.
W ährend Marie wie von Furien gehetzt nach Osten ritt, um Michel zu suchen, kehrte Thomas nach Hohenstein zurück. Nie war ihm ein Weg so schwergefallen wie dieser, und er war mehr als einmal kurz davor, sein Pferd zu wenden und Marie allen Bedenken zum Trotz zu folgen.
Ich hätte ihr nicht den Willen lassen dürfen, sagte er sich, während er auf die Burg zuritt. In seine Gedanken eingesponnen, fiel Thomas die Stille nicht auf, die ihn empfing. Als er sein Pferd auf dem Burghof zügelte, war dieser wie leergefegt. Verwundert stieg er aus dem Sattel und sah sich um.
»Hiltrud, wo bist du?«, rief er. Dann vernahm er hinter sich ein Geräusch und drehte sich um.
Mehrere schwerbewaffnete Männer waren unbemerkt aus der Tür des vorderen Turms getreten und schlossen eben das Tor. Andere Soldaten umringten ihn und bedrohten ihn mit ihren Schwertern. Ein paar Männer kannte er, denn sie hatten zu Falko von Hettenheims Schar gehört. Zwei von ihnen hatte er sogar gelehrt, dass eine Heugabel in der Hand eines Mannes, der sie zu führen wusste, eine gefährliche Waffe war. Das hatten sie anscheinend nicht vergessen, denn einer von ihnen hielt die Gabel in der Hand und stützte sich grinsend darauf.
Thomas begriff überhaupt nichts mehr. Wo war Hiltrud, und wo befand sich Trudi?
Da löste sich ein Mann in der Kutte eines Dominikanermönchs aus dem Schatten einer Tür und trat auf Thomas zu. Er hatte die Kapuze über den Kopf gestülpt, doch die Maske aus Silber, die das halbe Gesicht bedeckte, war deutlich zu erkennen.
»Wo ist deine Herrin?«, fragte der Mönch mit vor Erregung zitternder Stimme.
»Ich verstehe Euch nicht«, antwortete Thomas verwundert und spürte, wie sich sein Magen verkrampfte. Was mochten diese Männer mit seiner Frau und Maries Tochter gemacht haben?
»Wo ist Marie Adler?« Die Stimme des Mönchs wurde lauter und drängender, aber Thomas starrte ihn nur verwirrt an.
Unterdessen betrat auch Falko von Hettenheim den Burghof. Zwei seiner Männer folgten ihm und stießen Hiltrud und Trudi vor sich her. Der Graf trat auf Thomas zu und verschränkte grinsend die Arme vor der Brust.
»Seine Exzellenz, der Inquisitor des Papstes, hat dich nach seiner erwählten Braut gefragt, Bauer! Also sag ihm gefälligst, wo Marie von Hohenstein zu finden ist.«
Als Thomas sich hilfesuchend umsah, wies Hettenheim auf die Gabel, auf die sein Unteroffizier Eberhard sich stützte. »Suchst du die hier?«
Ruppertus war nicht nach Spielchen zumute, und so fuhr er Hettenheim zornig an. »Verhört diesen Mann! Aber so, dass er noch reden kann.«
»Den Gefallen tun wir Euch gerne!«
Hettenheim
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