Die Rache der Werwölfe!
sich um eine Realität handeln.“
„Na fein“, knurrte David. „Das war ein hübscher, aufheiternder Einfall für eine Gute-Nacht-Geschichte.“
„Was war das für ein Geschwafel darüber, dass ein Bild gefälscht war, aber der Vers war echt?“
David erzählte ihm, wie Lucy ihn in den kleinen Raum irgendwo im hinteren Teil des Schlosses geführt und ihm das falsche Bild des Bastards gezeigt hatte. Dann sagte er auswendig das kurze Gedicht auf und betonte besonders die Stelle, dass der Bastard im anderen Kleid wiederkehre.
„Darf ich also vorstellen: Der neue Bastard“, knurrte David und verbeugte sich ironisch.
„Die Sache gefällt mir nicht.“ Jan schüttelte bedächtig den Kopf, einen Ausdruck von Schicksalsträchtigkeit auf dem Gesicht. „Das mit Mikhail als verkleideter Vampir hier in deinem Schrank war ein Spaß, aber alles andere war keiner. Und die ganze Atmosphäre in diesem Schloss ist gruselig. Sogar vor meinem Fenster sausen irgendwelche Dinge herum. Außerdem das dauernde Heulen von Wölfen!“
„Fledermäuse“, antwortete David. „Die hausen wahrscheinlich in der Turmruine. Und Wölfe? Wir sind hier im Altmühltal, wahrscheinlich leben hier Wölfe.“
„Da ist noch etwas, was mir nicht gefällt. Diese Turmruine, die Geschichte von dem Fluch und dem Originalbastard, der vom Turm gestürzt ist.“
Ein höfliches Klopfen an der Tür veranlasste Jan, vor Schreck einen halben Meter hoch in die Luft zu fahren. Die Tür öffnete sich und Clément erschien, mit einem besorgten Ausdruck auf dem Gesicht.
„So was.“ Er ging weiter in das Zimmer. „Ich störe hoffentlich nicht?“
„Wir sitzen bloß da und erzählen uns Gespenstergeschichten“, antwortete David. „Also komm nur herein und amüsiere dich mit uns.“
„Hm“, sagte Clément, während er vollends eintrat. „Es dreht sich um Mikhail.“
„Möchte er vielleicht seinen Streich noch einmal ausführen, um dahinterzukommen, warum er das erste Mal nicht geklappt hat?“, fauchte David.
„Er ist nicht in seinem Zimmer.“ Clément zögerte kurz. „Offen gestanden mache ich mir Sorgen. Sein Bett ist unberührt, es sieht so aus, als ob er gar nicht in sein Zimmer zurückgekehrt war.“
„Vielleicht macht er einen kurzen Rundflug um das Schloss“, sprach David weiter. „Probiert seine Flügel aus, ein kleines Training in der Abendbrise. Wer weiß, auf welche unvermutete Halsschlagadern er dabei trifft?“
„Bitte!“ Cléments Augen rollten verzweifelt. „Ich mache mir wirklich Sorgen um Mikhail. Ich meine, er war nicht, wie erwartet im Kleiderschrank und...“
„Warum suchen wir ihn nicht einfach?“, sagte David. „Vielleicht hat er sich inzwischen wieder materialisiert und kann die Tür nicht mehr öffnen.“
David ging zum Kleiderschrank hinüber, öffnete die Tür und trat hinein. Der Schrank war ungewöhnlich groß, wohl mal geplant um sehr breite und tiefe Koffer zu beherbergen, aber jetzt war er leer.
„Okay?“ David blickte angespannt zu Clément.
„Vermutlich.“ Er spähte in den leeren Kleiderschrank, als erwartete er, Mikhail käme jede Sekunde aus der Holztäfelung herausgesprungen.
„Ich weiß, das klingt lächerlich.“ Er räusperte sich vorsichtig. „Aber nach deinem Erlebnis mit dem Geheimgang, David. Könntest du es nicht auch hier für möglich halten...?“
„Na klar“, sagte David genervt. „Jan hatte recht, wir kennen unsere zweitklassigen Horrorfilme von anno fünfunddreißig. Du glaubst vielleicht, die Hinterwand vom Kleiderschrank hängt in Angeln, wie? Und wenn man gegen die eine Seite presst, schwingt die ganze verdammte Wand herum und wir befinden uns auf der anderen Seite wieder. Hast du es ungefähr so gemeint?“
David legte eine Handfläche gegen die Wand, nahe an einer der Ecken und grinste Clément an.
„So zum Beispiel!“, sagte er spöttisch und drückte.
Die ganze verdammte Wand schwang nach innen!
David fiel geradewegs in das klaffende schwarze Loch dahinter und kam auf Händen und Knien auf schmerzliche Weise zum Stillstand. Einen Augenblick lang begriff er nicht, was passiert war. Aber der deutliche Knall der hinter ihm zuschlagenden Wand klärte das Problem in Windeseile. Er öffnete den Mund um nach Hilfe zu rufen, aber bevor er noch einen Laut herausbringen konnte, ertönte ein unheilvolles Klicken irgendwo in der Wand selbst. David schaffte es auf die Beine zu kommen und stieß mit beiden Händen kräftig zu, da er das instinktive Empfinden hatte,
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