Die Rache der Zwerge
Trotz umfassender Nachforschungen meiner besten Leute bleibt sie verschwunden.« Tungdil schluckte. Er erinnerte sich genau, die Statue, die nichts anderes war als sein Ziehvater selbst, in Andokais Palast gesehen zu haben. Nudin, oder besser Nöd'onn, hatte ihn während eines Kampfes vor vielen Zyklen unwiederbringlich erstarren lassen. Insgeheim hatte der Zwerg gehofft, den versteinerten Lot-Ionan in den Stollen schaffen zu können, damit er wenigstens an einem Ort stand, wo er als lebender Mensch zu Hause gewesen war.
»Was könnte man mit seiner Statue anfangen?« Mallen schaute zu Tungdil.
»Woher soll ich das wissen?«, antwortete er gereizt. Es gab niemanden mehr von seinen Famuli. Ihnen hätte er es zumindest zugetraut, dass sie sich die Statue ihres alten Mentors besorgten, um sie an einem geheimen Ort aufzustellen und ihn nach seinem Tod zu verehren. Aber das könnte bei den Verdiensten des Magus ebenso in aller Offenheit stattfinden.
Tungdil fühlte sich von den Räubern betrogen. Sie hatten ihm das Abbild des Menschen genommen, der wie ein Vater zu ihm gewesen war. Das machte den Raub zu einer persönlichen Angelegenheit.
»Es ist mir ebenso ein Rätsel«, sagte Bruron. »Dennoch werde ich meine Soldaten weiterhin suchen lassen.« Er richtete die Augen auf Ortger. »Ihr habt Neuigkeiten für uns, hattet Ihr mir angedeutet, König Ortger?« »Ja«, sagte er. »Eine größere Stadt in der Nähe von Borwöl ist vernichtet worden. Vollständig vernichtet. Niemand von den Einwohnern hat überlebt. Die Spuren wiesen auf Orks oder ähnliche Ungeheuer Tions hin.« Er schaute in die besorgten Gesichter. »Es gibt keinen Zweifel mehr: Die Scheusale sind in das Geborgene Land zurückgekehrt, auf welchem Weg auch immer.«
Gandogar hob den Arm. »Auch ich muss Schreckliches verkünden.« Er berichtete von dem Raub des Diamanten, dem Gifttod der Zwerge und übergab Tungdil das Wort, der den Verlust eines weiteren Steines und das Erscheinen eines neuen Geschöpfes von Tion ansprach. Bruron und alle anderen saßen wie vom Donner gerührt. »Untergründige? Zwerge aus dem Jenseitigen Land haben sich mit zaubernden Orks zusammengetan, um die Steine zu stehlen? Ist es das, was ich soeben hörte?«, fragte er fassungslos.
»Sie gehören alle zusammen«, sagte Isika voller Überzeugung. »Die Orks, die Untergründigen und diese magischen Mischwesen.« Sie blickte Gandogar an. »Ihr werdet Euch die Frage gefallen lassen müssen, Großkönig, wie es diesen Wesen gelingt, durch die Pforten und über die Pässe zu gelangen, gerade so wie es ihnen passt?« Die Stimme der Frau hätte Glas zerteilen können. Sie verbarg keineswegs, dass sie den Verteidigungskünsten der Zwergenstämme nicht mehr traute.
»Gegen Magie sind wir machtlos«, gestand Gandogar. »Ihr vergesst, dass dieser Ork der Erzählung zufolge in der Lage war, seine Gestalt zu wandeln. Wenn es mehr davon gibt, sind sicherlich viele unerkannt ins Geborgene Land marschiert.«
»Das würde die Spuren in Toboribor erklären«, meldete sich Mallen zu Wort. »Mein Suchtrupp, der nach der Vernichtung des Dorfes loszog, fand in den Höhlen des einstigen Orkreiches Hinweise darauf, dass wieder Leben in den Gängen herrscht.«
»Alles fügt sich. Dann waren es verzauberte Orks, welche die Statue Lot-Ionans stahlen«, vermutete Isika. »Sie haben uns den letzten Magus genommen, damit uns keine Möglichkeit bleibt, ihrer Magie etwas entgegenzusetzen.« Sie lehnte sich zurück. »Wir benötigen wieder einen Magus im Geborgenen Land.« Ihr Gesicht wandte sich zu Tiwalün. »Ist vielleicht einer aus Euerem Volk in der Lage, Zauber zu weben?« Der Elb kniff die Lippen zusammen. »Selbst wenn es so wäre, es gibt keine magischen Felder mehr, aus denen man Kräfte schöpfen könnte.« Er wechselte einen raschen Blick mit Vilanoil. »Ich wollte es eigentlich nicht sagen. Noch nicht. Aber in Anbetracht unserer Lage dürfen wir euch nicht länger schonen.« Er holte tief Luft. »Fürst Liütasil ist tot. Er starb bei dem Versuch, unseren Diamanten zu verteidigen.«
»Ihr Götter, steht uns bei«, flüsterte Königin Umilante entsetzt. »Wenn selbst die Elben nicht gegen die Bestien bestehen können, wer soll es dann?«
Es war vollkommen still im Zelt.
Niemand bewegte sich, keiner gab einen Laut von sich, und so vernahmen sie die knarrenden Geräusche, welche das Zelt und die Haltetaue von sich gaben. Der Wind strich um die Stoffbahnen, schob und drückte sie sanft, brachte sie dazu, sich
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