Die Rache der Zwerge
Fingerspitzen auf. »Gehorche mir!«, sprach er zu ihm. »Ich weiß um den Zauber, der mir dein Licht Untertan macht. Die Schriftrollen Dsöns haben mir dein Geheimnis enthüllt! Du darfst dich nicht sträuben.« Er reckte den Stein auf Augenhöhe und wiederholte die düsteren Worte.
Im Innern des Artefakts leuchtete es schwach und widerstrebend; die Facetten des Diamanten brachen das matte Licht und warfen die Reflexe in regelmäßigen Mustern an die Wände und die Decke, auf die Züge von Nagsar Inäste und auf ihn.
»Mein Gott«, flüsterte der Unauslöschliche und verneigte sich vor ihr. »Wie schön du bist, geliebte Schwester!« Er legte den Stein zurück in ihre Hände und berührte ihre Schulter. »Erwache aus deinem Schlaf.« Sie bewegte sich nicht.
»Nagsar Inäste, erhebe dich!«, bat er flehend und näherte sich mit seinem Gesicht dem ihren. Ihre Brust hob und senkte sich kaum merklich, aus ihrer Nase strömte warme Luft - aber sie verharrte steif und wie tot. Der Unauslöschliche starrte den leuchtenden Stein an. »Du benötigst mehr Zeit, ist es das?« Ein Flirren huschte über den Leib der Unauslöschlichen, umspielte den Altar und schnellte in den Diamanten zurück. »Dann sollst du sie bekommen«, sagte er finster, stand auf und stülpte sich den Helm über sein Kopftuch. Er ging rückwärts die Stufen hinab, wandte sich schließlich von seiner Schwester ab und schlug den Weg zur Höhle ein, vor der er die Soldaten getötet hatte. Die Verzögerung gab ihm die Gelegenheit, sein Gemälde zu vollenden.
Der Diamant würde seine heilende Arbeit verrichten, hoffte er. Irgendwie würde er ihm seine Macht entlocken, um sie selbst zu nutzen. Aus der Macht des Lichtes werde ich Dunkelheit erschaffen. Die Elben würden nicht mehr lange im Geborgenen Land existieren. Nötigenfalls enden die Kämpfe um Toboribor erst in Hundert Zyklen. Für mich bedeutet es nicht mehr als einen Wimpernschlag.
Zurück am Eingang an der Oberfläche, sah er, dass zehn Solda 4ten der Reiterei keine vierzig Schritt von ihm entfernt damit beschäftigt waren, die Toten auf einen herbeigeschafften Wagen zu laden. Ihre Pferde warteten geduldig und angebunden an einem Felsen. Sehr aufmerksam von den Menschen. Der Unauslöschliche nahm den Bogen zur Hand und trat an den verrottenden Kadaver, in dem noch acht Pfeile steckten. Das Blut im Helm der Soldatin war sicherlich schon lange geronnen. Die Gelegenheit, sich neues zu beschaffen, stand günstig.
Seine schwarzen Augen richteten sich auf zwei Männer, die eben einen Leichnam an den Armen und Beinen packten. Sobald sie sich aufrichteten, standen sie in einer Linie hintereinander. Zwei auf einen Streich. Er zog einen Pfeil aus der Leiche und legte ihn locker auf die Sehne.
Das Geborgene Land, Königinnenreich Weyurn, 12 Meilen nordwestlich von Mifurdania, 6241. Sonnenzyklus, Spätsommer.
Tungdils Freude darüber, den auf immer verloren geglaubten Ziehvater in die Arme zu schließen - was er früher als dessen einfacher Laufbursche niemals gewagt hätte - ließ sich schwer in Worte fassen. »Ihr seid von den Steinen auferstanden, ehrenwerter Lot-Ionan! Die Götter waren mit uns allen«, jubelte er.
Lot-Ionan lächelte ihn an, die vielen Falten in seinem alten Gesicht verzogen sich und lachten mit. »Tungdil Bolofar! Ein bekanntes Gesicht in der Fremde von Weyurn. Kräftig bist du geworden, kräftig und ernster. Wie ein Krieger, nicht mehr wie mein Schmied und Laufbursche.« Er schaute sich nach den Menschen und Zwergen in der Tür um, von denen er keinen einzigen kannte. »Ich nehme an, dass es viel zu erzählen gibt? Ich habe schon gehört, dass Nudin vernichtet wurde. Vor mehr als sechs oder sieben Zyklen.«
»Seid Ihr müde oder erschöpft?«
»Nicht ein winziges Bisschen. Als hätte ich in einem Jungbrunnen gelegen.«
»Was ist das Letzte, an das Ihr Euch erinnert?«, erkundigte sich Tungdil.
Der Magus überlegte. »Es war die Auseinandersetzung mit Nudin. Ich dachte, mir rinne Sand durch die Adern, und mein versteinertes Herz erstarb. Im nächsten Augenblick erwachte ich auf dem Grund eines Sees und ertrank beinahe. Meine Magie rettete mich.«
»Wir wissen, dass es dort eine neue magische Quelle gibt, ehrenwerter Magus«, sagte Tungdil. »Dafür ist die andere für immer versiegt.« Bevor er weitersprach, wandte er sich an seine Begleiter. »Geht am besten zu Bett, lasst eure Wunden pflegen und brecht morgen zusammen mit mir und Lot-Ionan nach Toboribor auf. Ich werde mich lange mit
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