Die Rache der Zwerge
Ergriffenheit steckte in seiner Kehle. »Und davon hat keiner etwas bemerkt. Nicht einmal ich, ihr eigener Bruder. Nun wisst Ihr es. Ich bitte Euch im Namen aller Toten Älandurs, welche die Atär zu verschulden haben: Stellt Euch ihnen in den Weg! Lasst sie nicht gewähren.« Er machte einen Schritt zurück und suchte den Blick seiner Schwester. Rejalin schluckte. Sein Auftauchen hatte sie aus der Fassung gebracht.
Es herrschte betretenes Schweigen. Von draußen erklangen die Stimmen der Soldaten, das Klirren von Hämmern und Werkzeugen, die Schritte von Männern und Frauen, die in der Nähe des Versammlungszeltes vorübergingen.
»Bei allen Göttern«, raunte Isika und legte ihre Hand auf die schlohweiße von Rejalin. »Sagt doch etwas! Sagt etwas zu den Vorwürfen, die man gegen Euch erhebt.«
Angewidert und voller Verachtung zog die Elbin ihre Finger weg und reinigte sie an ihrem Mantel. »Was gibt es noch zu sagen?«, sprach sie abgestoßen. »Es ist wahr. Wir wollen dem Geborgenen Land die Reinheit und die Unverdorbenheit geben, die es verdient. Die Eoil hat es uns aufgetragen, und wir erfüllen ihren Willen gern.« Sie betrachtete die Gesichter um sich herum. »Es wird nicht mehr lange dauern, und unsere Zeit ist angebrochen. Dann wird die Spreu vom Weizen getrennt. Diese neue Saat wird herrlicher, goldener wachsen als alles andere vor ihr. Da es offen ausgesprochen wurde, rufe ich Euch auf: Unterzieht Euch aus freien Stücken unserer Prüfung und zeigt, dass Ihr Euch nichts habt zu Schulden kommen lassen.«
»Bei Palandiell!« Königin Wey sprang wütend auf. »Ihr habt mich hintergangen! Ihr habt mit falschen Worten und Versprechungen mein Vertrauen erworben, um mein Land heimlich auszuspionieren.« Sie reckte den Finger gegen die Elbin. »Denkt Ihr, dass Ihr mit Eurem Geständnis auch nur einen Einzigen in diesem Zelt findet, der Euch folgt?«
»Wir wussten, dass Ihr so handeln würdet, sobald unsere gute Absicht zur Erleuchtung des Geborgenen Landes bekannt würde. Ihr könnt es nicht verstehen, liebe Wey«, lächelte Rejalin nachsichtig. »Ich seid noch nicht bereit dazu.«
Aber die Herrscherin von Weyurn war zu tief verletzt, um sich beruhigen zu lassen. »Redet nicht mit mir, als wäret Ihr meine Mutter!«, rief sie empört.
»Aber genau das sind wir: Wir sind die Mütter, die das Geborgene Land zur Ordnung rufen. Zum Wohle aller«, versuchte die Fürs tin zu erklären und erhob sich. »Wie bei vielen Müttern werden unsere Taten von den ungehorsamen Kindern nicht verstanden. Erst in vielen Zyklen, wenn die Saat des neuen Geborgenen Landes aufgegangen ist und wir dadurch für unsere Mühen entlohnt werden, wird man uns, die Atär, und die Weisheit der Eoil lobpreisen.« Gandogar schob sich ihr in den Weg. »Wo wollt Ihr hin, Rejalin? Stellt Euch Eurer Verantwortung«, grollte er. »Ihr habt Zwerge und Menschen getötet.«
Sie schaute ihn überrascht an. »Wir haben die Wesen ausgemerzt, die nicht die Reinheit besaßen, um in einer neuen Ordnung bestehen bleiben zu dürfen. Es war Spreu.« Die Leibwächter fächerten auseinander und schirmten sie vor Angriffen ab.
»Aber wieso die Ersten? Was haben euch diese Zwerge getan?«
»Ihr armer, bemitleidenswerter Großkönig, der nicht weiß, was in seinem eigenen Reich vorgeht«, sprach sie bedauernd. »Es war eine Kolonie von Dritten. Von Zwergenhassern. Meine Aufklärer haben sie beobachtet und entschieden zu handeln, bevor sie weiter Böses gegen Euch und die Zwerge treiben, die das Leben verdient haben.« Sie lächelte. »Es werden nicht viele von Euch übrig bleiben, fürchte ich. Ihr habt sehr viele Zwergenhasser in Euren Reihen. Ohne es zu ahnen.«
»Sie ist wahnsinniger als ich«, murmelte Ingrimmsch. »Wir dürfen sie nicht entkommen lassen, Gelehrter. Sie wird das Geborgene Land eher zu Grunde richten als die Unauslöschlichen und ihre Ausgeburten.« Rejalin achtete nicht auf seine Worte, sondern schritt auf den Ausgang zu. Die Menschen waren noch zu verstört von den Äußerungen der Elbenfürstin und wussten nicht, wie sie handeln sollten.
Aber Gandogar ging nicht zur Seite, sondern legte die Hand auf den Streitkolben. »Ihr werdet bleiben und Euch verantworten«, verlangte er mit fester Stimme.
Esdalän trat neben ihn. »Es ist vorbei, Schwester. Ich habe das Geborgene Land vor deinen Machenschaften und deiner Heimtücke gewarnt. Einen offenen Krieg wirst du niemals gewinnen.«
»Wie geht es weiter, Fürstin?« Mallen trat seitlich an sie heran,
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