Die Rache der Zwerge
Leinenkleid an manchen Stellen durchsichtig. Als ob sie seinen begehrenden Blick bemerkte, hielt sie inne, drehte sich zu ihm und winkte.
Er hob die Hand mit der Feder und grüßte zurück. Keine Frage, sie würde die Hauptrolle in dem Stück spielen und ihm die Männer in Scharen ins Zelt treiben.
»Ach ja, die Männer«, murmelte er. Eifersüchtig verfolgte er, wie Reimar, einer der Arbeiter, die er für das Aufschlagen der Zelte eingestellt hatte, mit einer Blume zu ihr trat und sie überreichte. Tassia lachte fröhlich und gab Reimar einen Kuss. Auf den Mund. Und sie erlaubte ihm, dass er eine Hand an ihre Taille legte. »Tassia, kommst du bitte zu mir?«, rief er lauter als gewollt. »Und du, Reimar, scher dich zurück an die Arbeit!« »Sofort, Meister des Wortes.« Sie klammerte ein Leibchen auf der Leine fest, strich Reimar über die Wange und schlenderte mit dem leeren Korb unter dem Arm auf Rodario zu. »Womit kann ich dir dienen?« »Ich brauche deinen Rat«, erfand er aufs Geratewohl einen Vorwand. In Wirklichkeit hatte er sie von Reimar befreien wollen. Er hielt ihr seine Notizen hin. »Was sagst du dazu?«
Sie nahm die Blätter und warf einen Blick darauf. »Unmöglich.«
»Unmöglich?«, wiederholte er entsetzt und entriss sie ihr. »Aber es ist...«
»Unmöglich zu lesen«, lachte sie ihn aus und setzte sich auf seinen Schoß. »Deine Schrift ist furchtbar. Du wirst mir erzählen müssen, was du vorhast.« Sie fuhr durch sein langes, dunkelbraunes Haar und spielte mit einer Strähne. Dann grinste sie. »Es war nicht nur ein Vorwand?«
»Nur um dich in meinen Armen zu halten, liebreizendste Gestalt des Geborgenen Landes«, lächelte er falsch, wobei niemand, der ihn nicht länger als zehn Zyklen kannte, einen Unterschied zu einem echten Lächeln bemerkt hätte.
»Aber doch nicht, um den armen Reimar zu verscheuchen?«, stichelte sie. »Er ist so nett. Und stark und voller Muskeln.«
»Leider wohnt kein Grips in seinem tumben Schädel. Seine Manieren befinden sich auf der gleichen Höhe mit denen eines Schweins.« Rodario strich sich über sein Kinnbärtchen. »Und ich sehe eindeutig besser aus. Wie du feststellst, ist er kein Konkurrent für mich.«
Tassia gab ihm einen Kuss auf die Stirn. »Manchmal, mein genialer Schöpfer von Sätzen und Szenen, braucht eine Frau keinen Mann mit Grips oder Manieren«, erwiderte sie mit einem vorgetäuscht unschuldigen Augenaufschlag, der ihm alles sagte.
Rodario sprang auf und ließ sie absichtlich zu Boden rutschen. »Du vergnügst dich hinter meinem Rücken mit anderen?«
»Wir wollen doch mit gleichem Maß messen, Liebster«, lachte sie und legte sich ins Gras, die Arme hinter dem blonden Schopf verschränkt. »Ich habe Geschichten über dich gehört, welche den Vermehrungsdrang eines Rammlers in den Schatten stellen. Und mir sind sehr wohl die entzückten Frauenzimmer aufgefallen, die am Straßenrand Mifurdanias standen und dich anhimmelten.« Tassia schloss die Lider und wandte ihr anmutiges Gesicht der Sonne zu. »Sie waren zwar nicht mehr die Jüngsten, aber sie wären einem Techtelmechtel mit dem Unglaublichen Rodario keinesfalls abgeneigt.«
»In der Tat, ich ... bin bei Frauen begehrt«, räusperte sich der Schauspieler. »Seit ich dich kenne, Tassia, ist es anders geworden.«
»Ah, ah, ah!« Sie hob den Arm und reckte mahnend den Zeigefinger. »Dafür würde ich an deiner Stelle die Hand nicht ins Feuer legen, mein Geliebter. Ich bin weder blind noch taub oder dumm und durchaus in der Lage, manche nächtliche Geräusche gewissen Akten zuzuschreiben.«
Rodario fing an zu schwitzen, und daran war nicht allein die Frühlingssonne schuld. Sein Angriff drohte in einer breiten Niederlage zu enden. In einer vernichtenden Niederlage. »Ich ... habe ... das Fechten geübt.« »Deswegen schwankte dein Wohnwagen so sehr?«
»Es waren ... schnelle Sprünge und Ausfälle.«
»Und mit welchem Schwert, Liebster?«, fragte Tassia zuckersüß. »Oder war es ein Dolch? Oder das Taschenmesser, das jeder Mann mit sich herumträgt?« Sie öffnete die Augen und lächelte ihn an. »Ich stelle mir das Fechten sehr schwer vor, wo du doch gleichzeitig noch eine Frauenrolle eingeübt hast, deren Text darin bestand, leise zu stöhnen und Oh, du Unglaublicher zu hauchen.«
Rodario starrte sie an, er öffnete den Mund, er stammelte und stotterte, bis ein Lachen aus ihm herausbrach, in das Tassia einstimmte. »Ich glaube, ich werde meinen Titel an dich abtreten müssen«, lobte er sie
Weitere Kostenlose Bücher