Die Rache der Zwerge
warum?« Er kehrte zu ihr zurück. »Sag mir, was dich so sicher macht.«
Balyndis zuckte mit den Achseln und küsste ihn wieder, dieses Mal auf die Nasenspitze. »Ich kann es dir nicht sagen«, gestand sie. »Nenn es einfach Eingebung.«
»Ihr Frauen und eure Eingebungen«, murmelte er und gab es auf. »Beten wir zu Vraccas, dass es so kommt, wie du es fühlst.« Er schaute zu seiner Rüstung. »Hast du schon gehört, was im Geborgenen Land vor sich geht?« Als sie den Kopf schüttelte, fasste er rasch zusammen, was er und Ingrimmsch bei seinen Abenteuern erlebt und gehört hatten. »Du bist dir sicher, dass Goda in Wirklichkeit nicht hinter dem Diamanten her ist? Was sagt deine Eingebung dazu?« »Es waren schöne Zeiten, als man einem Kind des Schmieds begegnete und man keinen Gedanken an die Aufrichtigkeit seiner Worte und seiner Taten verschwenden musste«, stöhnte sie. »Ich kann es nicht mit Gewissheit sagen, aber ich habe sie in den Umläufen, seit sie hier ist, bei nichts überrascht, das verdächtig aussah.« Sie strich ihm über das bärtige Kinn. »Der Stein ist noch genau dort, wo wir ihn verborgen haben.« Er lächelte. »Ich gehe und sage ihm rasch, dass ich wieder da bin.«
»Ich mache uns etwas zu essen. Wie ich dich und vor allem den hinreißenden Boindil kenne, habt ihr beide ordentlich Hunger.« Balyndis stand auf, warf sich ein einfaches Wollkleid über das Leinennachthemd und schlüpfte in ihre Stiefel. »Das Essen wird bald fertig sein, also rede nicht zu lange mit deinem Schatz.« »Mein Schatz«, zischte er und ahmte die Körperhaltung der gierigen Felsengnome nach, die Gold und alles an sich rafften, was wertvoll aussah. Dann lachte er und schritt Hand in Hand mit seiner Gemahlin aus der Kammer. Nach zwei Quergängen trennten sich ihre Wege. Tungdil nahm eine Öllampe von der Wand und begab sich in den Teil des Stollens, in dem ehemals die Famuli von Lot-Ionan untergebracht worden waren. Die meisten der zahlreichen Eichentüren befanden sich noch an ihrem Platz. Hinter ihnen hatten die angehenden Magi ihre Lektionen erhalten und davon geträumt, eines Tages das Zauberreich von Lot-Ionan erben zu dürfen. Jetzt gab es nichts mehr von alledem. Keine Magie, keine Zauberreiche. Keinen Lot-Ionan. Tungdil betrat das Laboratorium.
In diesem Raum hatte er einen üblen Streich erlebt, bei dem ein Großteil der Einrichtung - und zwar nicht durch seine Schuld - in Flammen aufgegangen war. Die Fläschchen mit den Elixieren, die Tiegel mit den Balsamen, die Röhrchen mit Extrakten und Essenzen, der gesamte teure Vorrat für die unterschiedlichsten Experimente hatte sich zu einer gefährlichen Masse vermischt. Nach einer gewaltigen Explosion war fast nichts mehr von den Apparaturen, Regalen, Tischen und Bänken geblieben. Und so sah es noch immer aus. Er schritt über knirschende Splitter und knackende Tonfragmente bis zu dem großen Haufen Glasschutt, der einst eine sehr teuere Gerätschaft zur Destillierung gewesen war. Vor der Explosion.
Der Zwerg bückte sich, wühlte ein wenig darin herum. Er fand den Diamanten erst nach längerem Suchen; die glitzernden Trümmer machten ihn schier unsichtbar. Wer ihn nicht im Abfall vermutete, würde ihn niemals finden.
Tungdil erfreute sich an dem kalten Feuer, das in den Facetten aufloderte und sein Herz bezauberte. Er drehte ihn hin und her, damit sich das Licht der Lampe besser brach und Reflexionen an die düsteren Wände warf. Immer wenn er den Stein in der Hand hielt, wartete er darauf, dass ihm das Kleinod auf irgendeine Weise zeigte, ob es ein Diamant oder das mächtigste magische Artefakt des Geborgenen Landes war.
Und wie immer wartete er vergebens. Er legte den Stein zurück in den kleinen Glasscherbenberg und schob ihn nach unten.
Das Geborgene Land, Königreich der Vierten, Braunes Gebirge 6241. Sonnenzyklus, Frühsommer.
Ein gellender Pfiff dröhnte durch den breiten Schacht nach oben, gleich darauf bimmelte das Glöckchen im so genannten Förderwerk. Der Raum wurde von einer streng durchdachten Abfolge aus Winden, Zahn- und Schwungrädern sowie Gewichten in allen möglichen Größen bis auf eine Nische vollständig ausgefüllt. In dieser Nische war der Platz des Hebemeisters.
Ingbar Onyxauge aus dem Clan der Steinwender, der seinen verantwortungsvollen Dienst versah, hatte das Signal verstanden. »Es geht los!«, schrie er hinab.
Seine Hände bedienten nacheinander verschiedene zwergengroße Hebel aus Eisen und lösten damit die Bremskeile
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