Die Rache des Bombenlegers
schlug.
„Ich gehöre zu den Bombenlegern. Ich
teile Ihnen mit: In 30 Minuten wird eines Ihrer Schulgebäude in die Luft
gesprengt. Das ist kein Scherz. Beeilt euch, sonst...“
In diesem Moment kreischte aus dem
Hörer im Hintergrund eine Stimme: „Ich heiße Lorchen und gebe Küßchen.“
„Ruhe, blödes Vieh!“ schrie der Bombenleger.
Und dann: „Ich habe nicht Sie gemeint. Also? Alles kapiert? Beeilung! Sonst
werdet ihr mit Klamotten gepudert.“
Die Verbindung wurde unterbrochen.
Fräulein Weinrich verharrte wie
erstarrt, schloß dann endlich den Mund und biß sich dabei auf die Zunge, die
noch nach Joghurt schmeckte. Ein spitzer Schrei. Sie sprang auf. Der
Joghurtbecher wurde umgestoßen. Aber war das jetzt noch wichtig?
Sie stieß auch ihren Bürostuhl um,
obwohl er auf Rollen lief, sprang zur Tür und verschmierte ihren Nagellack, als
sie zur Klinke griff.
Dr. Freund, der Direktor, war gerade
hinter seinem Schreibtisch eingenickt. Frühjahrsmüdigkeit — pflegte er das vor
sich selbst zu entschuldigen — auch wenn dieser Zustand bis November anhielt.
Jetzt schreckte er hoch.
„Können Sie nicht anklopfen? Was sind
denn das für neue Manieren! Sehen Sie nicht, daß ich schwer arbeite. Muß doch
sehr bitten!“ Unauffällig rieb er sich die Augen. „Was ist?“
„Da... eben... hat... ein...
Bombenleger...“
„Was ist denn los? Haben Sie ein
Gespenst gesehen?“
Dr. Freund war ein etwa 60jähriger,
hochgewachsener Mann mit eisengrauem Haar und Hakennase. Er unterrichtete
Latein und Griechisch, galt als streng, war aber bekannt für seine
Gerechtigkeit und daher beliebt.
„Ein... Bombenleger hat angerufen. Die
Schule wird gesprengt. In... einer halben Stunde.“
„Waaas?“
Dr. Freund fuhr aus seinem Sessel hoch.
Alle Müdigkeit war verflogen.
Währenddessen brütete die 9b über einer
Mathe-Arbeit.
Dr. Neubert ging langsam durch die
Reihen, wippte auf den Ballen und bildete sich ein, jeden zu erwischen, der
spickte. Tatsächlich hatte er noch niemanden erwischt. Deshalb hielt er alle
Schüler für ehrlich.
Ein geistvolles Summen schwebte durch
die Klasse. Manche konnten einfach nicht leise denken, und zum Rechnen
brauchten sie alle zehn Finger — wie Klößchen, zum Beispiel. Ihm stand kalter
Schweiß auf der Stirn. Er haßte Mathematik. Die andern Fächer auch. Schade, daß
der Unterrichtsplan keinen Kochkurs enthielt. Das wäre was gewesen!
Tarzan was längst fertig. Mathe war nun
mal sein — geistiges Glanzfach, Sport das andere.
Er hatte sein Heft so gelegt, daß
Klößchen abschreiben konnte. Aber leider hatte Neubert die beiden etwas
auseinandergesetzt. Sie hockten zwar noch in derselben Dreierbank. Aber wegen
eines fehlenden Schülers, der sonst außen saß, war ein Platz zwischen ihnen
frei.
Klößchen verdrehte fürchterlich die
Augen, schielte, daß man nur noch das Weiße sah. Ein Tierarzt hätte ihn
vielleicht der Tollwut verdächtigt. Aber alles Schielen half wenig. Der Abstand
war zu groß.
Auch Karl, der Computer, wurde jetzt
fertig, hatte zwar das Empfinden, daß nicht alles stimmte, war aber zu faul, um
nochmal nachzurechnen. Den Kopf in die Hände gestützt, starrte er eine schön
geschriebene Null an.
Gaby, der Mathe nicht so lag, tat sich
etwas schwer. Sie konnte Fremdsprachen besser. Überdurchschnittliche Zensuren
erreichte sie freilich auch in den anderen Fächern.
„Noch 15 Minuten“, verkündete Dr.
Neubert.
Klößchen stöhnte. Von mir aus könnte
der Blitz einschlagen, dachte er.
In diesem Moment knackte die
Lautsprecheranlage. Das geistvolle Summen verstummte.
Dr. Neubert, der vorn stand, starrte
zum Lautsprecher hoch — und kehrte der Klasse den Rücken.
Bei einem so arglosen Menschen zu
spicken, ist fast schon schändlich, dachte Tarzan und schob Klößchen das Heft
hin.
„Achtung, Achtung!“ ertönte Dr. Freunds
Stimme über die Rundsprechanlage. „Alle Klassenräume werden sofort geordnet
verlassen. Ich wiederhole: Alle räumen die Klassen. Sämtliche Schüler begeben
sich mit ihren Lehrern zum Sportplatz. Das gilt auch für das gesamte Personal,
einschließlich Hausmeisterei, Krankenstation, Küche und Verwaltung.“
Er zögerte, schien zu überlegen, ob
diese Anordnung eine Erklärung verlange, und fuhr dann fort: „Wir haben eben
eine Bombendrohung erhalten. In weniger als 30 Minuten soll in einem unserer
Gebäude eine Bombe explodieren. Ende.“
Tarzan glaubte, er höre nicht recht.
Dr. Neubert war vor Schreck
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