Die Rache des Chamäleons: Thriller
als käme er von weit aus dem Norden.
Draußen auf dem Flur lacht jemand. Es klingt fast glücklich. Sie kämpft mit den Strümpfen. Ihre Hände zittern. Sie ist sehr nervös. Nervosität ist etwas anderes als Angst. Es ist, als versuchten die Gedanken aus ihrem Kopf zu fliehen, alle auf einmal. Sie schließt die Augen, öffnet die Augen, schließt sie, öffnet sie. Der kühle Wind ist verschwunden. Wieder lacht jemand im Flur, es klingt echt.
Er steht auf der Plaza de la Iglesia. Auf eben dem Platz, wo Jesús seine stürmische Rede gehalten hat.
Jetzt ist der Platz menschenleer. Die Stadtbewohner sind in ihre Heime zurückgekehrt, in ihre Cafés. Peter steht am hinteren Ende der Kirchenmauer, die mit rankenden Pflanzen bewachsen ist. Ein jüngeres Paar geht an ihm vorbei und verschwindet in der Gasse. Er schaut auf seine Armbanduhr. Er ist nervös, furchtbar nervös. Die Gedanken bewegen sich in einer Endlosschleife, wie immer, wenn er nervös ist, wenn er nicht weiß.
Eine ältere Frau kommt aus der Gasse, in der das jüngere Paar verschwunden ist. Sie ist nicht alt, nur älter als das junge Paar. Sie ist schöner als die Jugend.
Jetzt dreht sie sich um. Peter bleibt an der Mauer stehen. Sie betrachten einander, und er geht auf die Frau zu.
Jetzt steht er sehr nah vor ihr. Sie berühren einander nicht.
Sie mustert sein Gesicht.
»Du hast dich nicht sehr verändert«, sagt sie.
»Äußerlich vielleicht nicht.«
»Ich dachte, du seist tot.«
»Ich bin nicht tot.«
»Aber ich habe es geglaubt.«
»Wer hat das gesagt?«
»Niemand. Ich habe es geglaubt. Und dass du mich für immer verlassen hast, habe ich geglaubt.«
»Naiara …«
»Du erinnerst dich an meinen Namen.«
»Ich konnte nicht anders, ich musste weg, Naiara. Das war meine einzige Chance.«
»Du hättest dich bei mir melden können. Nach einer Weile.«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Du kennst die Spielregeln, Naiara. Ich musste verschwinden.«
»Ich musste auch verschwinden.«
Er nickt. Sie sind allein auf dem heiligen Platz. Einige Tauben spazieren vor der eisernen Kirchentür herum. Es ist ein Platz des Friedens.
»Verschwinden …«, wiederholt sie in einem langgezogenen Tonfall.
»Jesús Montañas«, sagt er.
Sie nickt.
»Er war mein Ausweg«, sagt sie.
»Ich habe euch im Fernsehen gesehen, als wir kamen«, sagt er. »Sevilla und Torremolinos.«
»Davon weiß ich nichts.«
»Wie meinst du das?«
»Das hat nichts mit mir zu tun.«
»Warum sagst du das? Warum sollte das etwas mit dir zu tun haben? Jetzt?«
Sie antwortet nicht.
»Ich verstehe es nicht«, sagt er.
»Macht nichts«, sagt sie.
»Gibt es etwas, das ich wissen muss?«
»Nicht jetzt«, sagt sie.
»Geht es um etwas von früher? Von damals?«
»Das war ein anderes Leben«, sagt sie. »Ein anderes Land.«
Liegestühle und Sonnenschirme auf der Playa de la Fontanilla sind bereits eingesammelt und gestapelt. Die Sonne geht endlich unter.
Er steht an der Rampe zur Strandpromenade.
Er betrachtet die Stelle, wo er und Rita heute gelegen haben, als Jesús und sein Leibwächter vorbeijoggten.
Die Volleyballgang am Wassersaum ist noch da, drei Jungen und drei Mädchen. Die Rufe der Spieler wehen über den Sand wie Wind. Wie ein farbiger Wind, denkt er und geht durch den Sand zu der Stelle, ihrer speziellen Stelle am Strand.
Rita sitzt kerzengerade im Bett. Er sitzt auf dem Fußboden, den Rücken gegen das Fußende des Bettes gelehnt.
Die einzige Lichtquelle im Zimmer ist die Nachttischlampe.
Die Zikaden klingen durch die offene Balkontür wie Wind.
Er hat ein Glas Whisky in der Hand und nimmt einen kleinen Schluck. Er schmeckt wie die Medizin, die er braucht.
»Das da hilft auch nicht«, sagt sie.
»Im Augenblick schon.«
»Trink nicht mehr.«
Er stellt das Glas mit einem melodischen Klang auf den Steinfußboden.
»Du hast recht«, sagt er. »Man muss bereit sein.«
»Bist du bereit?«
»Nein«, sagt er.
»Ich glaube, ich bin bereit.«
Das Klingeln eines Telefons weckt sie in der Wolfsstunde. Er schwenkt die Beine über die Bettkante, um an das Telefon heranzukommen, das am hinteren Rand des Nachttisches steht.
Dabei stößt er mit dem Fuß das Whiskyglas auf dem Boden um.
»J…ja, hallo?«
In der Leitung surrt eine Stimme. Zunächst kann er nichts hören.
»Ich verstehe nichts«, sagt er.
Er lauscht wieder.
»Sí« , sagt er. »Sí.«
Er lauscht und merkt, dass sein Gesicht versteinert ist. Dass es wie der Fußboden geworden ist.
Hinter ihm
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