Die Rache des glücklichen Mannes
seufzte schwer. Er rief Konstabler Ol lonen herein und sagte zu ihm:
»Hör zu, Ollonen. Stell die Namen all der Leute zu sammen, die am Johannistag versucht haben, Ingenieur Jaatinen in den Arrest zu schaffen, du hast das alles ja noch gut im Gedächtnis. Mach eine Liste, und dann kriegt jeder einen Bußgeldbescheid über fünfzig Mark. Du kannst die Sache bezeugen, und außerdem erinnern sie sich selber sehr gut an den Vorfall.«
An Jaatinen gewandt, fragte Kavonkulma vorsichtig: »Fünfzig Mark pro Kopf reichen wohl?« »Das ist eine angemessene Summe.« »Welche Farbe soll das Hemd haben?« Jaatinen überlegte kurz. Dann entschied er: »Blau, klein kariert, Flanell!«
10
Dieser Sommer wurde für Jaatinen recht einsam. Er hatte starke Sehnsucht nach der Gemeindesekretärin Irene Koponen, wagte sich aber nicht in ihre Nähe, da er sich noch deutlich erinnerte, wie sie ihn am Johannistag behandelt hatte. Obwohl die beiden versuchten, einan der zu meiden, liefen sie sich trotzdem ab und zu über den Weg, Kuusmäki war schließlich nur eine kleine Gemeinde, und beide waren gezwungen, hin und wieder etwas im Kirchdorf zu erledigen. Wenn er die Koponen traf, grüßte Jaatinen steif und bekam nur eine knappe Erwiderung. Angefüllt mit Bitterkeit, ertrug er diese flüchtigen Begegnungen; seine Mundwinkel zuckten dabei unergründlich. In einen großen Mann passt nicht nur eine ungeheure Menge an Sehnsucht, sondern auch an Bitterkeit.
Das Gerede der Eisenflechter und Zimmerleute über Frauen machte Jaatinen in diesem Sommer keinen Spaß. Um seine eigenen Frauengeschichten stand es so schlecht, dass er mit Witzeleien über Erotik nichts am Hut hatte.
Trotz alledem gingen die Arbeiten am Fluss vorbildlich voran. Im August konnte man an die Verschalung der Brückenbahn gehen, und Jaatinen rechnete aus, dass man mit dem Gießen der Fahrbahndecke im September
beginnen könnte. Als er im Bezirksbüro Baustahl be stellte, wunderten sich die Chefs dort über das schnelle Fortschreiten der Arbeit. Jaatinen erklärte:
»Die hiesigen Arbeiter sind eben fleißig, und entspre chend ist der Zeitplan.«
Kommissar Kavonkulma belegte gehorsam achtzehn Männer aus Kuusmäki mit Bußgeldern. Er beklagte sich bei Jaatinen über die undankbare Aufgabe, doch Jaati nen blieb hart: Die Bußgelder mussten verhängt werden, und dabei durften Jokikokko, Jäminki und Roivas nicht vergessen werden. Vor allem Jäminki und Roivas waren gekränkt über die Maßnahme; sie tadelten ihren frühe ren Freund, den Kommissar, heftig, doch notgedrungen mussten auch sie für ihr Vergehen büßen. Als Jäminki das Geld auf der Bank einzahlte, sagte er:
»Dieser Fall wird noch so gelöst werden, dass der Mann aus unserem Dorf verschwindet, so viel ist si-cher.«
Propst Roivas fand es undenkbar, sein Bußgeld per sönlich auf der Bank zu bezahlen, er beauftragte die Kanzlistin des Pfarramtes damit.
Jaatinen bekam sein neues Hemd erst im August. Die Männer von Kuusmäki protestierten energisch gegen den Kauf, sie fanden, das Ganze sei unter ihrer Würde. Doch als Ollonen bei jedem den festgesetzten Anteil eintrieb, wobei er auch vor gewaltsamen Maßnahmen nicht zurückschreckte, kam die erforderliche Summe zusammen; und eines Tages ging der Kommissar zu sammen mit dem Konstabler in das Kurzwarengeschäft, um für Ingenieur Jaatinen ein Hemd auszuwählen. Die beiden prüften sorgfältig verschiedene Sorten, riefen sich in Erinnerung, was Jaatinen verlangt hatte, und entschieden sich schließlich für ein blau kariertes Mo-dell mit Kragen. Bevor sie das Geschäft verließen, er kundigte sich der Kommissar bei der Verkäuferin:
»Wenn dieses Hemd dem Ingenieur nicht zusagt, kön nen wir sicherlich umtauschen?«
Die heißen Abende im August waren für Jaatinen wahrlich schwer auszuhalten: Er musste allein in seiner Baubude sitzen und durch das kleine, schmutzige Fens ter auf den schwarzen Fluss starren. Er hätte natürlich ins Motel fahren und Bier trinken können, doch als allabendliche Beschäftigung war das schwerlich geeig net, es stumpfte nur ab und machte müde. Jaatinen holte sich ein paar Bücher aus der Bücherei, doch wenn er auf seiner Pritsche in der heißen Hütte auf dem Rü cken lag und die Gaslampe über ihm leise zischte, schlief er zumeist mit dem Buch auf der Brust ein, um irgendwann in der Nacht wieder aufzuwachen, in voller Bekleidung, hungrig und mit steifen Gliedern. Den Rest der Nacht verbrachte er dann
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