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Die Rache des Kaisers

Titel: Die Rache des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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stand ich auf, bemüht, kein Geräusch zu machen, keine Trümmer zum Rutschen zu bringen.
    »Also die Flüchtlinge?« sagte Symonds plötzlich. »Ein paar von denen kehlen und ausnehmen? Und dann? Frankreich? Gibt’s da vielleicht Geld zu holen?«
    »Keine Belohnung.« Castelbajac klang betrübt. »Auftrag des Königs teilweise ausgeführt, mehr nicht; aber bestimmt gibt’s wieder was zu tun. Also Flücht…«
    Eine türkische Kanonenkugel krachte in die Außenmauer des Trümmerhauses. Mörtel und Steinsplitter flogen, dann neigte sich die Mauer nach innen, über uns. Ich konnte eben noch unter einem stürzenden Balken wegtauchen; auch Karl und Avram kamen unverletzt auf die Gasse.
    Als wir mit gezogenen Schwertern dort eindrangen, wo früher einmal das andere Zimmer gewesen war, fanden wir den Boden von Trümmern übersät: eine dünne Schicht, unter der nicht viel liegen konnte, jedenfalls keine Leichen. Jérôme de Castelbajac und Harry Symonds waren nirgendwo zu sehen.

FÜNFUNDZWANZIG
    N icht alle von den Türken gegrabenen Stollen wurden entdeckt. In den folgenden Tagen gelang es den Belagerern, mehrere Breschen in die Mauern zu sprengen. Wir errichteten Palisaden dahinter, hoben Gräben aus und bildeten dichte Formationen aus Pikenieren und Arkebusieren, gegen die die Janitscharen wenig ausrichten konnten. Aber auch wir mußten bluten. Außerdem wurde der Mangel an Nahrungsmitteln immer üppiger, und der Dauerbeschuß aus den Belagerungsgeschützen verscheuchte den Schlaf. Nicht jedoch die bösen Träume, die sich durch die Tage und Nächte zogen.
    Die Soldaten waren eigentlich zu erschöpft, um zu kämpfen oder miteinander zu zanken; beides unterblieb jedoch keineswegs. Gerüchte über Plünderungen gingen um, bei denen sich jeder fragte, wo denn in der Stadt noch etwas zu plündern sei. In einigen der elenden Flüchtlingspferche - kaum mehr denn Mauern mit halbzerstörten Dächern - wurden beinahe jeden Morgen Leichen gefunden, und die verängstigten Leute redeten von Gespenstern, Blutschlürfern und Werwölfen.
    »Sollten wir nicht …?« sagte Avram, als wir in einer Kampfpause auf einem Trümmerhaufen hockten und hartes, ältliches Brot kauten. Karl hatte irgendwo einen halbverfaulten Apfel aufgetrieben. Dazu tranken wir Regenwasser, von dem es immer noch reichlich gab. Ebenso wie Gerüchte über neue Leichen in den Flüchtlingsunterkünften.

    »Wir sollten nicht«, sagte Karl. »Wir haben was gehört, schön; aber beweisen können wir nichts.«
    »Vielleicht sind andere auf den gleichen Gedanken gekommen.« Ich seufzte leise. »Und meinst du, in dieser Lage unternimmt einer der Hauptleute etwas?«
    Wir waren zermürbt, verdreckt, ausgehungert, und fast alle hatten irgendeine leichte Verwundung davongetragen. Wobei wir uns glücklich schätzen konnten. Für jene, die schwerer verletzt worden waren, gab es kaum noch Verbandszeug, und am besten waren die versorgt, deren Qualen ein Waffenbruder noch auf dem Kampfplatz mit einem Stich beendet hatte. Wir hatten dies untereinander besprochen und versprochen.
    »Und wir können nichts tun«, sagte Karl. »Ich kann kaum die Augen offenhalten. Warten, bis das hier vorbei ist, so oder so.«
    Warten. Und kämpfen. Immer wieder mußten wir Ausfälle versuchen. Nach einer der vielen regnerischen Nächte fast ohne Schlaf überfielen wir erneut mit Reitern und Arkebusieren die Janitscharen in der Kärntnervorstadt. Sie rechneten offenbar nicht mehr damit, und wir konnten viele bewaffnete Arbeiter in den Kellern der zerstörten Häuser überraschen, von wo aus sie die Stollen gegen die Stadtmauer vortrieben. Auch anderswo kam es zu Scharmützeln, mal zwischen Fußkämpfern, mal zwischen Reitern. Und nie wollte das Dröhnen der Geschütze enden.
    Am nächsten Tag waren die Türken auf der Hut. Sie hatten nachts ihre Vorposten verstärkt und besser verschanzt; als wir aus dem Tor kamen, wurde sofort das ganze Lager alarmiert. Angesichts der Übermacht mußten wir uns zurückziehen. Tags darauf versuchten wir es in größerer Zahl. Es gelang uns auch, die Vorposten zurückzutreiben; aber dann
wurden wir von den rasch herbeiströmenden Verstärkungen unsererseits gescheucht und verloren einige Dutzend Männer.
    Wie wir hörten, unternahmen am gleichen Tag die Spanier einen ähnlichen Vorstoß aus einem anderen Tor, aber wie wir verloren sie Kämpfer, und ich fürchte, insgesamt fielen auf beiden Seiten etwa gleich viele - was die Türken verschmerzen konnten, wir jedoch

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