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Die Rache des Kaisers

Titel: Die Rache des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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weiter weg schlug eine der zahllosen türkischen Kanonenkugeln ein. Der Boden bebte kaum merklich. Von der Außenmauer des halbzerstörten Hauses, in dem wir saßen, rieselte ein wenig Mörtel. Auf der anderen Seite dessen, was einmal türlose Wand zwischen zwei Räumen gewesen sein mußte, wurde geräumt und geschoben.
    »Dünnes Bier«, sagte jemand. »Besser als nichts. Ah, die Schänke meiner Eltern in Wales und richtiges Bier … Lange her.«
    Ich legte den Finger an die Lippen; Avram und Karl nickten. Wie viele Waliser, die brüchiges Deutsch mit siechem
Italienisch vermengt sprachen und in Wien kämpften, mochte es wohl geben?
    »Ich habe kein Heimweh nach heimischem Wein; mir würde das reichen, was in Ungarn wächst; Hauptsache, kein Türke verbietet mir, ihn zu trinken. Aber besser dünnes Bier als das ewige Wasser. Gib mal.«
    Die zweite Stimme … Der Mann sprach ebenfalls Deutsch und Italienisch durcheinander, die Zunge der Söldner und Landsknechte. Und er sprach beides besser als der Waliser; dahinter flackerte ein französischer Ton.
    Karl kniff die Augen zusammen, Avram hatte die Stirn gerunzelt, und ich spürte, wie mir etwas Kaltes den Rücken hinabrann.
    »Haben sie dir auch die Wahl zwischen Strick und Schwert geboten?« sagte der Waliser.
    »Was gibt’s da zu wählen? Aber sie lieben mich beinahe.« Der Franzose stieß ein häßliches Gelächter aus. »Den Überläufer hat uns ja keiner abgenommen; ich nehme an, sie brauchen jeden Mann, und die Sache mit den Stollen … Fast als ob es sie wirklich überrascht hätte.«
    »Hast du schon mit Alonso geredet? Wie wir hier rauskommen, meine ich?«
    »Don Alonso …« Es klang geringschätzig. »Der kommt hier nicht raus, bis die Sache vorbei ist. Wir auch nicht, natürlich; wohin soll man denn abhauen? Zurück zu den Türken? Ah nein, merci . Alonso hat immerhin Sold zu erwarten. Wenn er überlebt, und wenn Ibrahim Pascha nicht noch etwas ganz Bedeutendes einfällt.«
    Der Waliser trank gluckernd; dann sagte er: »Du bist ja fast ein Held geworden - der christliche Überläufer, der die hilfreiche Nachricht gebracht hat. Ich könnte mich kringeln - Castelbajac als Retter des Abendlands!«

    »Kringel dich ruhig. Hauptsache, einem von uns fällt etwas ein, was Geld bringt. Die paar Münzen, die wir haben, helfen uns nicht viel weiter.«
    Der Waliser schwieg.
    »Wenn wir gewußt hätten …«, sagte Castelbajac.
    Der Waliser schnaubte. »Ja, und? Die Türken teilen uns einem Aufklärungstrupp zu, und wir sagen: ›Moment, wir holen eben noch unsere ganzen Habseligkeiten‹? Und wenn wir geschnappt werden und behaupten, wir wären Überläufer, lassen uns die Wiener alles Gold, ohne zu fragen, woher es kommt?«
    »Hast ja recht, Symonds. Das hilft uns aber nicht.«
    »Eminenz?« Es war keine Anrede, sondern eine Frage, und Symonds klang halb lauernd, halb hoffnungsvoll.
    »Der ist weit weg, und so, wie die Lage ist, könnte er uns in Wien gar nicht helfen. Selbst wenn er wollte. Was ist denn mit diesem Deutschen, von dem du erzählt hast? Den du aus Rom kennst?«
    »Und aus Venedig. Da hab ich ihn überfallen, zusammen mit dem Neapolitaner …«
    Castelbajac machte ein Würgegeräusch.
    »… den hat er abgestochen. Und in Rom hab ich einen seiner Leute geschlitzt, während er Piranesi erledigt hat.«
    »Den Neapolitaner und Piranesi?« Castelbajac pfiff leise. »Muß gut sein, wenn er die beiden schafft. Nein, der wird dir nicht helfen, das hab ich auch nicht gemeint, aber könnte man den vielleicht ausnehmen?«
    »Der ist einfacher Soldat, wenn ich das richtig gesehen hab; jedenfalls hatte er nichts an Abzeichen oder so. Was soll der schon haben? Ich frag mich bloß, wieso der in Wien ist.«
    Der Franzose lachte. »Wieso wohl? Das ist einer von uns,
Mann; der ist da, wo Sold gezahlt wird und Blut fließt, wie wir alle.«
    Avram warf mir einen schrägen Blick zu und blinzelte; Karl verzog keine Miene. Ich wartete auf die Fortsetzung des Gesprächs jenseits der Wand und fragte mich, ob Castelbajac da etwas gesagt hatte, was ich nicht wahrhaben wollte. Und eine zweite Frage bildete sich in meinem Kopf, die die erste überlagerte und die ich nicht verdrängen konnte. Wann, wenn nicht jetzt? Sind die beiden wirklich unentbehrlich für die Rettung Wiens?
    Dann berührte ich Karl und Avram an den Oberarmen, klopfte lautlos auf den Griff meines Schwerts und deutete mit dem Kopf zur Wand. Beide nickten, als hätten sie nichts anderes erwartet. Vorsichtig

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