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Die Rache des Kaisers

Titel: Die Rache des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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erkundigten wir uns - vergebens.
    Zwei Tage vor Weihnachten erreichten wir endlich Straßburg. Am Oberlauf des Rheins wußte niemand etwas vom derzeitigen Aufenthalt der Miralda, und wir beschlossen, nicht nach ihr zu suchen. Dafür fanden wir etwas anderes, und ein wenig später erhielt ich ein kostbares Geschenk.
    Der Fund wartete in einem schäbigen Gasthof am Westrand Straßburgs, am Ufer der Ill. Jemand in der Stadt hatte etwas gehört, und wir fragten uns durch, bis wir den Mann fanden.
    Er hieß Gonzalo Marañón und war einer der Arkebusiere von Luis de Ávalos gewesen. Mit einer schlecht verheilten Wunde an der Brust war er von Wien bis zum Rhein marschiert. Auf der Langen Bruck war er gestolpert, als er einem Karren ausweichen mußte; dabei riß die Wunde wieder auf und entzündete sich.
    »Sie haben mir Geld hiergelassen«, sagte er, »damit ich nachkommen kann. Aber …«
    Das winzige Zimmer unter dem Dach war kalt und zugig, und trotz der Zugluft stank es entsetzlich. Wir hatten genug Männer an Wundbrand sterben sehen und wußten, daß wir eben noch zeitig gekommen waren. Sein Körper glühte; die Augen waren matt von Fieber und Schmerzen, aber klar.
    »Hast du einen Arzt gefragt?«

    Er versuchte ein schwaches Lächeln. »Wenn’s ein Bein oder Arm wäre«, murmelte er, »könnte man’s abnehmen. Um das zu wissen, brauch ich keinen Arzt.«
    »Wir haben zusammen die Türken besiegt, mein Bruder«, sagte ich. »Aber der Tod besiegt jeden von uns allein. Können wir etwas für dich tun?«
    Marañón deutete zum Fußende seines Betts. »Den schwarzen Engel verjagen, der da sitzt und grinst. Doch, ja, ihr könnt etwas tun. Begrabt mich und laßt mir eine Messe lesen. Ich glaube nicht, daß Gott sich bestechen läßt, aber … Und holt einen Priester, bald.«
    Ich wandte mich an Karl. »Treib einen Pfaffen auf«, sagte ich. »Und beeilt euch; er hat nicht mehr viel Zeit.«
    »Hast du Familie? Jemanden, dem man etwas mitteilen sollte?« sagte Avram.
    »Wenn ihr je nach Navarra kommt …«
    »Könnte sein«, sagte ich. »Wo da? Pamplona?«
    »Geh nicht nach Pamplona. Nach Viana, nördlich von Logroño. Am Pilgerweg nach Santiago. An der Plaza haben meine Leute eine Garküche, für Pilger und andere.«
    »Ich werde sie suchen. Ich suche aber auch etwas für mich.«
    Er nickte. »Sonst wärt ihr nicht gekommen.«
    »Zwei Männer. Alonso Zamora und Harry Symonds.«
    Er schloß die Augen und schwieg.
    Ich wartete ein Weilchen; dann sagte ich: »Komm, Freund, sag mir, was du von ihnen weißt.«
    »Warum suchst du sie?«
    Ich überlegte. Er mochte die beiden verehren oder verabscheuen, und er könnte beide als Waffenbrüder schützen wollen. »Sie haben mir - uns - etwas genommen«, sagte ich. »Wir wollen sie befragen.«

    »Soll ich vor meinem Tod noch schlecht über Waffenbrüder reden?« Er öffnete die Augen und sah mich an, und ich glaubte, Schmerz und Abwehr zu lesen.
    »Das kannst du gleich beichten«, sagte Avram.
    »Zamora hat meine Eltern und Geschwister getötet, Symonds meinen Waffenlehrer. Und dem, der eben den Priester holt, hat er ein Ohr genommen.«
    Marañóns rechte Hand tastete nach etwas, wühlte unter der zerschlissenen Decke, die als Kopfkissen diente.
    »Hier.« Er zeigte mir ein Lederbeutelchen. »In der Schänke unten arbeitet eine, die mir zu essen gebracht und für mich gelächelt hat. Weißt du, was ein Frauenlächeln für einen sterbenden Soldaten bedeutet? Sie kann sogar ein bißchen Spanisch. Gib ihr das, wenn ich tot bin.«
    »Ich gebe es ihr. Und ich zahle für deine Beerdigung und die Messe - wenn du jetzt redest.«
    »Gleich - danach.«
    Auf der Treppe hörten wir schwere Schritte; Karl und ein überaus wohlgenährter Priester traten ein. Mit ihnen und uns war das Zimmerchen übervoll.
    »Er will beichten und die Sterbesakramente«, sagte ich, »und morgen oder übermorgen eine Messe.«
    Der Priester nickte. »Wartet draußen.«
    Wir gingen hinunter in die Schänke. Das Frühstück lag lang zurück, aber keiner von uns verspürte Hunger; der sieche Gestank oben hatte jeden Gedanken an Essen verjagt.
    Der Schankraum war einfach, jedoch erstaunlich sauber: gebohnerte Bohlen, gescheuerte Tische und Bänke, gereinigte Lampen, frische Fackeln. Die gewölbten Scheiben der Fenster, die Licht einließen und die Außenwelt verzerrten, schienen makellos. Die Deckenbalken waren vom Blaken der
Fackeln und dem Rauch zahlloser Winterfeuer verfinstert, aber es war keine schmutzige

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