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Die Rache des Kaisers

Titel: Die Rache des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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durch Schlieren.
    »Was ist das hier?« Der Truppführer brüllte mich an. »Nicht genug Brand und Tod in den letzten Wochen? Mußt du alles mit einem Mord krönen?«
    Die Hände ließen mich los; einen Moment taumelte ich. »Fähn… Fähnlein Seydel«, brachte ich heraus. Es stimmte zwar nicht mehr, aber immerhin mochte es meine Anwesenheit und meine Waffen erklären. »Und der da« - meine
Stimme klang fremd, aber ich konnte sprechen, ohne zu keuchen - »ist einer von denen, die Flüchtlinge gemeuchelt und ausgeplündert haben.«
     
    Sie untersuchten den Beutel und seinen Inhalt: Münzen, Ketten, Ringe; in einem steckte noch der abgetrennte Finger einer Frau. Der Truppführer schrieb beide Namen auf; einer der Männer verschwand und kehrte mit einer Schubkarre zurück. Sie packten Castelbajacs Leichnam darauf, und plötzlich stand ich allein auf dem Platz.
    Nein, nicht allein; in sicherem Abstand, vor den Gebäuden, die zu tanzen aufgehört hatten, drängten sich Neugierige in meinen Schlieren, starrten mich an, schauten auf den Boden und die Blutlache. Ein Mann näherte sich beinahe furchtsam und fragte, ob er mir helfen könne.
    Ich schüttelte den Kopf. »Danke, Bruder, es geht schon wieder.« Die Welt ringsum war immer noch fremd, aber allmählich lösten sich die Schlieren auf. Ich tat ein paar vorsichtige Schritte, stellte fest, daß der Boden meine Beine trug und die Beine mich, und machte mich auf den Weg zur Unterkunft in den Trümmern.
     
    Avram hockte vor Karl und wollte ihm offenbar einen Napf mit einer Flüssigkeit reichen. Karl hatte die Augen geschlossen. Er saß an einen Trümmerhaufen gelehnt, den eine alte Pferdedecke etwas behaglicher machte. Sein Kopf steckte in einem blutgetränkten Verband, der rechte Arm in einer Schlinge, die Schulter war ebenfalls dick verbunden.
    »Bring mich nicht zum Lachen, hörst du?« sagte er, ohne die Augen zu öffnen.
    »Was ist geschehen?«
    »Symonds«, sagte Avram. »Er hat Symonds gesucht, und
der war hinter ihm. Hat einfach zugeschlagen, ohne ein Wort zu sagen.«
    »Von hinten«, knurrte Karl. »Ich hab’s klirren hören, als er das Schwert gezogen hat, und mich noch einen halben Zoll bewegen können. Sonst …« Er wollte mit den Schultern zucken, beendete die Gebärde aber nicht und sagte nur: »Aua!«
    »Das rechte Ohr ist weg«, sagte Avram. »Macht ihn bestimmt hübscher, wenn alles verheilt ist. Und er hat einen schönen Schnitt in der Schulter. Die Knochen sind heil. Und du? Mit wem hast du dich gebalgt?« Seine Blicke tasteten mich ab, den durchtränkten Ärmel, die Schicht geronnenen Bluts vor der Brust.
    »Castelbajac«, sagte ich.
    »Und?«
    »Es fehlen Symonds und Zamora.«
    »Erwischt?« Avram hob die Brauen, und Karl öffnete die Augen.
    »Er unterhält sich gerade mit Haspacher und Piranesi«, sagte ich.
    »Tja.« Avram betrachtete mich mit einem schrägen Lächeln. »Wieviel davon ist eigenes Blut, in deinen Sachen?«
    »Nur am Arm.« Ich ließ mich auf einen Stein sinken. »Wird ein bißchen dauern, bis es verheilt ist, und zuerst mußt du mir den Ärmel abschneiden und die Fetzen aus der Wunde rupfen. Danach …«
    »Danach dürft ihr beiden erst mal genesen«, sagte Avram. »Hauen und stechen könnt ihr sowieso jetzt nicht, und die Herren Symonds und Zamora sind weg.«
    »Weg? Bist du sicher?«
    »Symonds hat heute die Stadt verlassen. Als er Karl angegriffen hat, sind ein paar Wächter dazugekommen, und er
ist losgerannt. Und Zamora? Der ist gestern schon mit den Spaniern abmarschiert.«
    Ich seufzte. »Castelbajacs letzte Worte«, sagte ich, »passen hier sehr gut.«
    »Nämlich?«
    » Merde alors .«

TEIL IV

SIEBENUNDZWANZIG
    F ünf Tage nach Allerheiligen verließen wir Wien. Es war kalt und sonnig, kein Schnee, ein guter Reisetag. Unsere Wunden waren mehr oder minder verheilt. Und mit ein wenig Glück hatten wir keine neuen erlitten, als es in Wien noch einmal wüst wurde.
    Pfalzgraf Friedrich und andere Edle wollten, zur Verfolgung der Türken und zum Gegenzug nach Ungarn, die verfügbaren Truppen mustern lassen. Die Söldner weigerten sich zu kämpfen, wenn man ihnen nicht zuvor einen vierfachen Sturmsold und einen gewöhnlichen Sold ohne Abzug der Verpflegungskosten auszahlte. Sie drohten, die Stadt zu plündern und anzuzünden. Der Pfalzgraf hielt die Gefahr einer solchen Meuterei für gegeben und bewilligte den Landsknechten einen dreifachen Monatssold. Von den Rädelsführern der Meuterei wurden später einige ergriffen und

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