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Die Rache des Kaisers

Titel: Die Rache des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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erledigen die Arbeit für die Großen, die ohne Rücksicht auf uns und die anderen Kleinen etwas beschließen. Etwas, das für sie günstig ist. Ich glaube, ohne Könige und Fürsten und Führer könnte man es in dieser Welt aushalten - und ohne Pfaffen, die einen auf die nächste Welt vertrösten. Und warum tun wir das?« Er sah uns an, einen nach dem anderen.
    »Weil wir nichts anderes können«, sagte Karl. »Weil wir sonst hungern - ah nein, hungern müssen wir zwischendurch immer, aber sonst müßten wir verhungern.«
    »Weil die Großen dafür sorgen, daß es so ist. Weil sie nur dann groß sein können, wenn es Kleine gibt. Weil sie herrschen wollen und wir uns beherrschen lassen, und die Priester sagen uns, daß alles gut ist, so, wie es ist.«
    Ich nickte. »Symonds«, sagte ich halblaut.
    »Ein böser Mensch. Unser Handwerk ist blutig; ihr wißt es. Wir alle haben im Rausch, im Kampf und danach Dinge getan, die unser Heiland verboten hat, die ihn entsetzen würden …«
    »Du sprichst vom Heiland anders als von denen, die ihn verkünden«, sagte Avram.
    »Sie nutzen seine Botschaft aus, um uns auszunutzen.«
    »Aber beichten und eine Messe?«
    »Man weiß ja nie. Vielleicht haben sie doch einen Zugang - ich glaube nicht, aber schadet es?«

    »Solange man sie fürs Sterben und Heiraten braucht, haben sie Macht.«
    Marañón seufzte. »Ich kann es nicht mehr ändern. Unser Handwerk ist, wie es ist, weil die Menschen sind, wie sie sind. Aber es gibt einige, die das, was wir im Blutrausch tun, immer tun, und die es gern tun. Ich habe Gefangene gefoltert, um etwas zu erfahren. Zamora hat in Wien - draußen, vor der Stadt - einem Türken den Bauch aufgeschnitten und mit seiner Eisenhand den Darm gepackt und herausgezogen und aufgewickelt, als der Mann längst alles gesagt hatte. Es macht ihm Spaß, versteht ihr? Symonds ist auch so. Ich habe getötet, weil man es mir befiehlt, und geplündert, um nicht zu verhungern. Zamora und Symonds gehören zu denen, die gern töten und auch dann plündern, wenn sie genug zu essen haben. Castelbajac ist auch so einer.«
    »Nicht mehr«, sagte Karl.
    »Ah.« Marañón blinzelte. »Wer hat ihn …?«
    Avram deutete auf mich.
    »Wo sind sie jetzt?« sagte ich. »Symonds und Zamora?«
    »Du siehst gar nicht so hart aus, wie man für solche wie Castelbajac und die beiden sein muß.«
    »Ich übernehme nicht nur Beerdigungen, auch die Vorarbeiten«, sagte ich. »Weißt du, wo sie sind?«
    »Symonds ist mit den meisten nach Norden, in die Niederlande. Er sagt, er will von da in seine Heimat. Und Zamora? Der hat mit dem Rest, halbes Dutzend, eine neue Arbeit. Gut bezahlt, zur Abwechslung.«
    »Weißt du mehr?«
    »Etwas, aber nicht genau. Er hatte Wechsel, keine Ahnung woher, und ist bei den Fuggern und den Welsern gewesen.«
    Ich murmelte einen Fluch vor mich hin. Warum war ich nicht auf den Gedanken gekommen, bei den Welsern zu fragen?
Vielleicht hätte ich dort auch nicht mehr erfahren, vielleicht aber doch.
    Marañón konnte nicht viel mehr sagen. Zum einen wußte er nicht mehr, zum anderen hatten ihn die Krankheit, der Besuch des Priesters und unser langes Reden sehr geschwächt. Zamora und ein paar andere hatten sich offenbar in den Dienst der Welser Bankherren begeben, die nach Westindien wollten - sagte Marañón.
    Mir erschien dies reichlich phantastisch, ebenso wie die angebliche Begründung. Wie die Fugger hatten die Welser in den vergangenen Jahren dem Kaiser ungeheure Summen geliehen; das war bekannt. Karl V. könne, so Marañón, aber wohl nur einen Teil zurückzahlen und wolle den Bankherren für den Schuldenrest einen Teil des riesigen neuen Erdteils zu bestimmten Bedingungen überlassen, und die Welser stellten eine Reisegruppe zusammen, um das angebotene Land in Augenschein zu nehmen, ehe sie Zusagen machten oder Verpflichtungen eingingen.
    Wir wollten Marañón ruhen lassen und versprachen, ihm ein wenig Brühe und Fleisch zu bringen. Der Geruch im Schankraum trieb mir das Wasser in den Mund und ließ meinen Magen knurren; den beiden anderen ging es wohl ebenso.
    Élodie - ich hatte beschlossen, eine zweite Laura zu verleugnen - war zwischen den nunmehr sechs besetzten Tischen unterwegs; wir setzten uns wieder in Kaminnähe und warteten. Der Wirt, der offenbar selbst kochte, schob den Kopf durch die Tür zur Küche, wie man einen Stein in eine Mauerlücke schiebt, und brüllte etwas Unverständliches. Élodie ging zur Küche und kam bald mit einer großen Terrine

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