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Die Rache des Kaisers

Titel: Die Rache des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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enthauptet.
    Die Türken hatten sich in Ungarn festgesetzt, die letzten Renner und Brenner waren verschwunden, die aus der Stadt geflohenen Menschen kehrten nach und nach zurück, und die Flüchtlinge aus dem Umland verließen Wien. Aber es würde lange dauern, bis wieder so etwas wie gewöhnliches Leben stattfände. Die Vorstädte waren teils von den Verteidigern, teils von den Türken zerstört worden, Felder und Weinberge in weitem Umkreis verwüstet, Dörfer niedergebrannt; in Wien hatten viele Häuser unter dem Beschuß so
stark gelitten, daß man sie nur noch abreißen konnte. Und in den Ausläufern des Wienerwalds, durch die wir ritten, lagen überall verwesende Tierkadaver und unbestattete Leichen.
    »Die Nase hätte er mir abhacken sollen, dann …« Karl trieb sein Pferd an, um schneller die widerlich süßen Ausdünstungen zu verlassen. Drei tote Pferde an einer Weggabelung schienen zu wabern, ein Madenfest; dahinter lehnte, von einem Speer an einen Baum genagelt, das, was Vögel und anderes Getier von einem wahrscheinlich älteren Mann übriggelassen hatten.
    »Sonderwünsche, mein Kaiser?« sagte Avram. »Ich bin da gern behilflich.« Er legte die Hand an den Messergriff.
    »Was? Ich höre so schlecht.« Karl grinste.
    Wir wollten den Spaniern folgen und dabei nach Spuren von oder Nachrichten über Harry Symonds suchen. Natürlich hatten sie viele Tage Vorsprung, aber auch in diesen wirren Zeiten konnten an die vierhundert Spanier nicht unbemerkt durch die Lande wandern. Vier Fähnlein waren aus den Niederlanden aufgebrochen; Meutereien, Fahnenflucht und Krieg hatten sie um drei Viertel vermindert. Ohne sie wäre Wien nicht zu halten gewesen, und des Königs Dank war schnelle Entlassung. Wie lange würden sie sich verpflegen können, und wann würden sie entweder hungern oder plündern müssen?
    Symonds war schwieriger zu verfolgen - ein Mann allein unter all den Tausenden, die unterwegs waren. Irgendwie hofften wir, daß er sich den Spaniern angeschlossen hatte, aber es war eine hohle Hoffnung.
    Reiten, lagern, reiten, lagern. Und fragen. Die Spanier marschierten schnell, und obwohl wir Pferde hatten, holten wir kaum auf. Als wir Krems erreichten, sagte man uns, sie seien vor zwölf Tagen dort gewesen und auf Anweisung des
Königs mit Proviant versehen worden. Wir ritten die Donau hinauf, und in Linz hatten sie noch elf Tage Vorsprung. Dort hatten sie die Donau verlassen, waren Richtung Wels gezogen. Niemand konnte sich erinnern, Symonds allein oder bei ihnen gesehen zu haben. In Braunau betrug der Vorsprung zehn Tage, in München neun.
    In München erfuhren wir allerdings, daß ein Gesandter des Kaisers - ausnahmsweise mit Geld ausgestattet - Kämpfer für Italien geworben hatte; etwa die Hälfte der Spanier habe daraufhin den Rückmarsch in die Niederlande abgebrochen und sich nach Süden aufgemacht.
    »Eisenhand?« sagte ein alter Mann der Stadtwache, der zehnte oder elfte, den wir fragten. »Eisenhand? Ja, Eisenhand - der ist mit den anderen, nach Westen. Straßburg, hat’s geheißen.«
    In Augsburg sagte man uns, ein paar Spanier - halbes Fähnlein, zehn Rotten, so etwa - seien vor sieben Tagen vorbeigekommen, hätten einen Abend in der Stadt gezecht und seien dann weitergezogen. Ich begab mich zur Fuggerbank, um die arg geschwundenen Geldvorräte zu ergänzen. Daß das Konto nun in Venedig war, hinderte mich ja nicht daran, mir selbst einen Wechsel auszustellen. Eigentlich ohne jede Erwartung, eher nebenher erkundigte ich mich nach einem Spanier mit Eisenhand. Ja, der habe vor sieben Tagen einen Wechsel vorgelegt, und man habe ihm Geld gegeben. Nein, die Summe und die Herkunft des Wechsels könne man mir nicht nennen; das gehe nur die Bank und den jeweiligen Kunden etwas an. Aber ja, man könne bestätigen, daß er Zamora heiße. Alonso Zamora. Über Reiseziele habe er nicht gesprochen.
    Nichts über Symonds. Und nun wurde das Wetter schlechter; der Winter, der sich ein paar Tage zurückgezogen hatte, kam wieder, mit Schnee und eisigem Wind. Avram begann
zu husten, dann fieberte er; kurz vor Ulm brachen wir den Ritt durch Schneewehen ab und blieben zehn Tage in einem Gasthaus. Danach war Avram einigermaßen bei Kräften; wir ritten durch den Winter, und die Strecken, die wir zurücklegen konnten, wurden immer kürzer.
    Immerhin hatte mich Avrams Krankheit zu der Überlegung gebracht, daß ja auch marschierende Spanier krank werden könnten. In Weilern und Städten, bei allen einsamen Gasthäusern

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