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Die Rache des Kaisers

Titel: Die Rache des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Finsternis.
    Ich sah mich nach dem Wirt um, der uns die Treppe zu Marañóns Kammer gewiesen hatte, doch befanden sich im Schankraum nur drei frühe Winterzecher, die an einem Tisch in Fensternähe saßen. Erst beim zweiten Hinschauen entdeckte ich die Gestalt, die vor dem Kamin kniete, Scheite schichtete und in die Glut blies.
    Sie stand auf, als sie unsere Schritte hörte. Ich nahm an, daß sie die junge Frau war, von der Marañón gesprochen hatte. Das dunkelgraue Kleid, unter der Brust mit einer Schärpe hochgebunden, fiel ihr bis auf die Knöchel. Was ich für Holzschuhe hielt, in denen die bloßen Füße steckten, war tatsächlich aus Leder. Das schulterlange Haar glomm rötlich im Schein des Kaminfeuers. Die Ärmel ließen die halben Unterarme frei; die Hände waren rot und abgearbeitet, aber die Haltung der Frau paßte nicht zu einer Schankmagd.
    »Was ist Euer Begehr?« sagte sie.
    »Drei Becher warmes Dünnbier, um das Warten erträglich zu machen, bitte.«
    Sie nickte. »Setzt Euch doch.« Dann stutzte sie. »Warten - worauf?«
    »Bis der Priester mit Marañón fertig ist.«
    »Der arme Mann. Geht es zu Ende?«
    »Bald. Nicht sofort.«
    Sie seufzte leise, wandte sich ab und ging in die Küche.
    Wir setzten uns in die Nähe des Kamins. Karl zwinkerte. »Nettes Kind«, sagte er.
    »Kein Kind«, sagte Avram. »Dame.«
    »Sag ich doch.« Karl grinste. »Je mehr sich’s ändert, desto mehr bleibt sich’s gleich.«
    »Tut weh«, sagte ich.

    Karl nickte. »Mehrfach. Die hat schon bessere Tage gesehen. Und früher was anderes als Deutsch gesprochen.«
    »Klingt nach Frankreich.« Avram faltete die Hände auf der Tischplatte. »Meinst du, du kriegst aus dem da oben was raus?«
    »Mal sehen.«
    Die Frau kam zu uns: auf einem Tablett trug sie drei Becher. »Bitte sehr. Kann ich noch einmal zu ihm?« Dabei schaute sie zur Decke.
    »Später. Darf ich nach Eurem Namen fragen?«
    Sie lächelte flüchtig; die etwas verhärmten, ursprünglich feinen Züge belebten sich. »Ihr dürft, Herr.«
    Ich wartete; als sie nichts sagte, sondern nur neben dem Tisch stehenblieb, lachte ich. »Na gut - wie heißt Ihr?«
    »Élodie Laure - sucht Euch einen aus, oder nehmt beide. Und Ihr?«
    »Er heißt Avram«, sagte ich, »der da Karl, ich Jakob. Gibt es hier bessere Zimmer als das von Marañón?«
    »Ja, die sind aber teurer.«
    »Das nehme ich an. Danke, Élodie, im Augenblick haben wir keine weiteren Wünsche.«
    Sie nickte. »Rufen genügt. Ihr wißt, wie man ruft, ja?« Dann ging sie zur Küche.
    Avram betrachtete mich von der Seite. »Namen? Zimmer? Rufen? Sieh dich vor, Jakko … Und Laure? Gibt es eine zweite Laura?«
    »Jeder Mensch ist einzigartig.«
    Karl gluckste. »Ist dir schon mal aufgefallen, daß Philosophen und andere Trottel, wenn sie nicht mehr weiter wissen, meistens grundsätzlich werden?«

ACHTUNDZWANZIG
    D amals wußte ich noch nicht, daß mir für kurze Zeit ein großes Geschenk zuteil werden würde. Ein kostbares Geschenk, das ich hätte hüten müssen. Aber ich war zu sehr mit anderen Fragen beschäftigt, um in diesem Augenblick über den Zufall und seine Gaben nachzudenken, oder auch nur darüber, daß es keine Fähigkeit, sondern bloßes Glück ist, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Ebenso wie am falschen.
    Wir saßen und tranken und warteten auf den Priester. Als er endlich auf der Treppe zu hören war, ging ich aus dem Schankraum und sprach kurz mit ihm über Friedhöfe, Beerdigungen und Messen; dann stiegen Karl, Avram und ich wieder zu Marañóns Kammer hinauf.
    Der alte Soldat saß auf dem Bett, den Rücken an die Wand gelehnt. Er starrte uns mit glasigen Augen an; in den Händen hielt er den kleinen Geldbeutel.
    »Warum gibst du ihn ihr nicht selbst?« sagte ich. »Sie will dich später aufsuchen.«
    »Von mir würde sie ihn nicht annehmen. Oder darauf bestehen, die Beerdigung zu bezahlen.«
    Ich setzte mich auf die Bettkante. »Und das soll ich tun, als Gegenleistung für das, was du mir erzählst?«
    Er lächelte. »Und als Waffenbruder.«
    »Gut. Du hast mein Wort. Und jetzt sprich.«
    »Symonds«, sagte er. »Kam in Wien zu uns, mit einem
alten Kameraden von Zamora - Franzose, aber der Name?«
    »Castelbajac. Jérôme de Castelbajac.«
    »Richtig. Schlimme Männer.« Er schien zu zögern, seufzte dann und redete weiter.
    »Ihr kennt das Handwerk, nicht wahr? Das der Soldaten. Marschieren, kämpfen, töten, plündern, marschieren; nie genug Sold, oft nichts zu essen, und wir

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