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Die Rache des Kaisers

Titel: Die Rache des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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suchen, wissen wir gewöhnlich nicht, wer gemeint ist.« Er lächelte flüchtig. »Aber einer, der Welser-Schreiber geleitet und auf dem Weg, sozusagen in ihrer Gesellschaft, in Straßburg zwei Morde begeht, ist ein anderer Fall.«
    Ich mochte kaum glauben, was ich da hörte. »Wollt Ihr sagen, man sucht ihn - daheim? Im Reich?«
    »Ja. Und nein.« Wieder ein flüchtiges Lächeln, das eher ein Grinsen war. »Der große Bartholomäus Welser selbst hat befohlen, ihn zu ergreifen und zurückzuschicken. Zamora war mit Welser-Schreibern zusammen, dadurch ist das ganze Handelshaus mitbetroffen. Schlecht fürs Geschäft, wenn wir offenkundig Mörder beschäftigen.«
     
    Wenn wir offenkundig Mörder beschäftigen … Wäre Zamora nicht gewissermaßen in guter Gesellschaft gewesen, hätten die Verwalter von Klein-Venedig ein ihn betreffendes Schreiben aus der Heimat wahrscheinlich blinzelnd gelesen und ihm geraten, sich in Zukunft ein wenig vorzusehen. Aber die Ehre des Handelshauses … Zamora hatte drei Männer getötet, die ihn festnehmen sollten, und irgendwie war es ihm danach gelungen, an Bord eines Schiffs zu gelangen.

    Eines Schiffs nach Santo Domingo. Da stand ich nun in dem kleinen Hafenort, atmete die fremden Gerüche, sah bunte kreischende Vögel umherflattern und Affen im Geäst der staubigen Bäume zappeln, und während ich versuchte, all das Neue aufzunehmen und es nicht allzu schäbig zu finden, schwankte ich. Einerseits wollte ich lachen, weil ich vor wenigen Stunden noch gedacht hatte, die Zeit der ungünstigen Zufälle sei vorüber. Andererseits wollte ich nun so schnell wie möglich nach Santo Domingo.
    Drei Tage später nahm Kapitän Flores mich mit. Er hatte nur einen Teil seiner lebenden Fracht verkaufen können; alles andere - vor allem Schießpulver und Waffen - war ohnehin für Santo Domingo bestimmt, für den Vizekönig und die spanischen Truppen.

DREISSIG
    I n der wichtigsten spanischen Stadt Westindiens mögen da mals, als ich dort im Herbst 1530 ankam, an die dreitausend Spanier, viertausend Indios und vielleicht tausend schwarze Sklaven gelebt haben - falls man das Los der Indios und Neger »leben« nennen kann. Es war nicht nur die wichtigste, sondern auch die größte spanische Stadt jenseits des Meeres. Versorgung, Truppen, Waffen, Nachrichten, Befehle - alles, oder fast alles, kam aus Europa hier an und wurde verteilt, weitergeleitet. Wie mir Flores gesagt hatte, gab es in Santo Domingo nicht nur Kirchen, Freudenhäuser, ein Kloster und sonstige Wohn- und Nutzgebäude, sondern auch zwei Schänken.
    »Ach was, es gibt mehr als zwei, aber vor allem diese beiden: die beste posada westlich des Meeres und die lausigste. Wenn Ihr genug Geld habt, begebt euch in die beste; wenn Ihr nicht genug Geld habt, wappnet Euch gegen Läuse, Wanzen, Diebe, Bettler und nicht eßbaren Fraß.«
    Ich hatte genug Geld. Genug, um die »Vier Winde« aufzusuchen, die Taverna de los cuatro vientos - und genug, um dem Kapitän zuvor Caonabo abzukaufen.
    »Warum tust du das, Herr?« sagte der Ciboney, als wir vom Hafen zur Plaza de Armas gingen.
    »Hin und wieder ist es gut, angenehme Gesellschaft zu haben. Ich kenne hier ja sonst niemanden. Was muß ich tun, um dich freizulassen?«

    Caonabo schwieg; nach ein paar Schritten sagte er, mit belegter Stimme: »Herr, das ist überaus freundlich. Es ist aber auch überaus sinnlos.«
    »Wieso ist es sinnlos?«
    »Weil der nächste Spanier mich wieder versklavt.«
    »Gibt es denn keine Liste?«
    »Doch, aber keine Möglichkeit, einen bewaffneten Spanier zu einem Amtmann zu bringen.«
    »Dann werden wir uns etwas anderes einfallen lassen müssen. Vielleicht nehme ich dich mit nach Europa und laß dich da frei.«
    »Was hast du denn jetzt vor, Herr?«
    »Hör auf, mich ›Herr‹ zu nennen - Jakob, Jakko, Jaime, Santiago, he du, was du willst, und …«
    »Gern - wenn wir unter uns sind. Jaime.«
    »Auf dem Schiff habe ich dir doch von meinem Feind erzählt. Wahrscheinlich ist er hier. Ihn suche ich. Und für dich sollten wir eine Waffe besorgen.«
    »Das wäre nicht gut.«
    »Warum? Er könnte dich auch angreifen.«
    »Ein Sklave, der einen weißen Herrn tötet, stirbt. Sehr langsam, aber sehr gründlich.«
     
    In der posada gab es keinen freien Gastraum. Ich fand nach kurzem Suchen ein schlichtes, luftiges Zimmer in einem Haus unweit der Plaza, zahlte für fünf Tage voraus und bat um eine zweite Matratze samt Decken für meinen Diener. Er könne doch im Stall schlafen,

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