Die Rache des Kaisers
gesehen. In Trier; einen Abend haben wir gezecht und geprahlt, wie alte Krieger das tun.«
»Seid Ihr sicher, daß es Galliano war?«
»Ich bin sicher, daß er eine Eisenhand hat, links, und sein Gesicht nicht richtig bewegen kann. Aber …« Er zögerte und schüttelte den Kopf. »Galliano heißt er nicht. Auch nicht Antonio. Und er ist nicht aus der Lombardei, sondern aus Kastilien.«
Um meine Hoffnung nicht zu zeigen und meine Erregung zu verhehlen, wandte ich mich an Kassem und übersetzte, obwohl er alles verstanden hatte.
»Meinst du, er könnte es sein?« sagte Kassem. »Vielleicht sind diese Eisenhände ja doch nicht so selten.«
»Er steht also nicht im Dienst Eures Herrn?« Ich bemühte mich, ein wenig enttäuscht zu klingen.
»Nein. Er stand auch nie in seinen Diensten. Er ist damals, wenn ich mich nicht irre, mit einigen anderen auf einer Pilgerfahrt gewesen und wollte, glaube ich, von Trier nach Süden. Lothringen? Kann sein.«
»Was gibt es denn dort an Zielen für Pilger?«
»Nein, nein, die Pilgerfahrt war beendet. Sie waren bei den Drei Königen in Köln und wollten zurück in den Süden.«
Wieder tat ich so, als müsse ich übersetzen.
Kassem zog den Reisemantel enger; es war kalt und klamm in der Schreibstube. »Frag ihn, ob er sich an den Namen erinnert - vielleicht auch an die anderen, mit denen er unterwegs war.«
»Also«, sagte ich, »er war mit anderen unterwegs von Köln nach Lothringen, sagt Ihr. Und - Kastilier? Erinnert Ihr Euch, welchen Namen er genannt hat? Habt Ihr vielleicht auch die anderen gesehen, mit denen er unterwegs war?«
Der Hauptmann starrte auf die zehn Gulden. »Antonio?« murmelte er. Dann, lauter: »Nein, nicht Antonio. In den
Geschichten heißt er immer nur ›Der Eiserne aus Toledo‹. Alonso. Don Alonso. Meint Ihr, er könnte derjenige sein, den Ihr sucht?«
»Wie viele Hauptleute mit eiserner Hand wird es denn damals im Land des Kurfürsten gegeben haben?«
Strasser schnaubte. »Nicht viele. Nein, Ihr habt recht; wahrscheinlich ist er es, und vielleicht hat er sich in Ferrara als Lombarde ausgegeben.«
Ich beugte mich vor und schob ihm die zehn Münzen hin. »Wir haben Euch zu danken, Hauptmann - für Auskünfte und für Eure Zeit. Seid so gut, die Gulden anzunehmen. Aber sagt, wißt Ihr von den anderen noch etwas?«
»Sucht Ihr die auch?«
Ich schüttelte den Kopf. »Es könnte sein, daß wir über einen der anderen schneller den finden, der sich in Ferrara Galliano nannte.«
»Ja, das stimmt. Sie waren - ich glaube, sie waren vier, und noch ein paar einfache Mannen bei ihnen. Vier Hauptleute. Don Alonso. Dann ein Italiener, aber der hatte keine Eisenhand und hieß auch nicht Antonio Galliano, sondern … Johannes der Täufer?«
»Giovanni Battista?« sagte ich. »Oder Giambattista?«
Strasser lächelte und nickte. »Ja, genau. Giambattista irgendwas; an den Nachnamen kann ich mich nicht erinnern. Der dritte war ein Franzose mit Raubvogelnase, den nannten sie mal Falco, mal Falcone, mal Faucon - also irgendwie Falke, wegen der Nase, nehme ich an, aber das war wohl ein Spitzname. Und der vierte hieß Lukas.«
»Ein Deutscher?«
»Ich habe ihn nicht viel sagen hören, aber er klang, als käme er aus der Kölner Gegend. Auch von ihm weiß ich keinen Nachnamen.«
»Und sie wollten nach Süden?«
»Ich bin nicht sicher, aber es war die Rede von Lothringen. Und wahrscheinlich weiter.«
Wir dankten dem Hauptmann, den wir mit den zehn Gulden zurückließen; den schweren Beutel steckte Kassem wieder ein.
Schweigend gingen wir durch die Stadt zum Südtor, vor dem Jorgo und Avram warteten. Als wir sie und die Pferde erreicht hatten, kniete ich vor Kassem nieder.
»Vater«, sagte ich, »ohne dich wäre ich nicht in die Burg gegangen und hätte nichts erfahren. Wie kann ich dir danken?«
»Steh auf.« Er berührte meine Schulter. »Wer das Unmögliche sucht, ist auf das Unwahrscheinliche angewiesen. Aber es ist alles im großen Buch des Schicksals verzeichnet, und Allahs Fingerzeige kann nur jener lesen, der auch an unwahrscheinlichen Stellen nach ihnen sucht.«
VIER
K urz nachdem wir losgeritten waren, kam endlich die Sonne heraus, und der klamme Herbst verwandelte sich in einen freundlichen Spätsommer. Jorgo ritt voraus, Kassem - offenbar in Gedanken versunken - als zweiter, Avram und ich, jeder mit einem Packpferd, wechselten uns am Ende ab. Manchmal, wenn der Weg es gestattete, ritten wir ein Weilchen nebeneinander. Zuerst hatte ich mich nach
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