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Die Rache des Kaisers

Titel: Die Rache des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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er.
    Ich ließ mich auf einen freien Stuhl sinken. »Keine Spottgesänge. Die werden sie dir gleich singen.«
    Von der Fackel, die in einer Eisenfaust am Tragbalken steckte, löste sich ein glimmender Span. Ich bildete mir ein, ihn zischen zu hören, aber bis er in Jorgos krausem Schopf landete, war das ärmliche Feuer bereits erloschen.
    Avram kicherte leise und langte nach dem Span. Jorgo knurrte; offenbar klebten an dem harzigen Hölzchen ein paar Haare, die nun ausgerissen wurden.
    »Zu gedeihlicher Erinnerung - da.« Avram hielt ihm den Span hin.
    »Was hast du erfahren?« sagte Kassem. Die anderen tranken Wein; vor ihm stand ein Napf mit einem Kräutersud. »Und hast du etwas gegessen? Zur Kräftigung der Seele bei schlechten Nachrichten?«

    »Ich habe etwas gegessen, mein Vater. Und so schlecht sind die Nachrichten nicht. Sie haben nur alte Wunden aufgerissen.«
    Jorgo setzte zu einer vermutlich spöttischen Rede an, schloß aber den Mund wieder, als Kassem die Hand hob.
    Ich berichtete, was ich von Haidlaub erfahren hatte, und zum Schluß zog ich die Kette aus der Gürteltasche und legte sie auf den Tisch.
    »Etwas zu trinken, feiner junger Herr?« Plötzlich stand die Schankmagd neben mir. Sie sah die Kette und sagte leise: »Oh.«
    »Wein«, sagte ich, »und keine Schläge.«
    Sie lachte. »Ihr habt mir keinen Anlaß dazu gegeben.« Im Weggehen setzte sie kaum hörbar hinzu: »Leider.« Ihre Augen schienen sich nicht von der Kette lösen zu wollen.
    »Sie würde dafür gern und gründlich sündigen.« Jorgo schmatzte.
    »Was hat es damit auf sich?« sagte Kassem.
    »Sie gehörte meiner Mutter, Herr. Ihre Initialen sind auf der Rückseite eingeritzt. Ein Mann mit einer eisernen Hand hat sie einem Händler in Cochem verkauft, und dieser war einige Tage danach hier in Koblenz, auf dem Markt.«
    Kassem nahm die Kette, betrachtete das Kreuz, drehte es um und nickte. »Aber er wußte keinen Namen, nicht wahr?«
    »Nein, und auch nichts von anderen Männern. Aber …« Ich zögerte, schloß die Augen und sah die Männer das zerstörte Dorf verlassen. Der zweite der Anführer, der Moloch: wulstige Lippen, ein beinahe regloses Gesicht, und als er die Linke hob, blitzte etwas metallisch.
    Wir schwiegen, bis die Schankmagd einen neuen Krug mit Wein und einen Becher gebracht hatte. Als sie sich vorbeugte,
um den Krug auf den Tisch zu stellen und den leeren zu entfernen, stützte sie sich mit der Hand auf meine Schulter. Ich hob die Rechte und berührte flüchtig ihre Finger.
    »Eben erst heimgekehrt und schon verabredet«, sagte Avram. »Und ihre Hände sind nicht aus Eisen. Aber gib acht auf die Kette.« Er blickte hinter der Magd her.
    Kassem beugte sich vor. »Der Amtmann«, sagte er leise; dabei schaute er sich um. Als er sicher war, daß niemand uns belauschen konnte, fuhr er fort: »Er warnt dich vor dem Amtmann des Bischofs, nicht wahr?«
    »So ist es, mein Vater.«
    »Wir sollten dennoch zu ihm gehen.«
    »Wir?« Ich runzelte die Stirn. »Der Schultheiß, sagt Haidlaub, mag keine Fremden. Schon gar keine, die …«
    Kassem lächelte. »Keine Ungläubigen. Sag es ruhig. Trotzdem. Wenn ich die Verteilung der Macht und Zuständigkeit begriffen habe, und du wirst zugeben, das ist in dieser Wirrnis kleiner Länder nicht einfach, dann ist dein alter Freund für die Belange der Stadt zuständig, aber Recht und Ordnung in der Umgebung liegen beim Schultheiß, nicht wahr?«
    »So ist es wohl.« Ich zögerte. »Aber …«
    »Lausche, was ich mir denke; dann urteile.«
    Wir steckten die Köpfe zusammen und hörten, was Kassem vorschlug.
    »Herr«, sagte ich schließlich, »du bist mein Vater und mein befehlender Fürst. Steht es mir zu, dir nun zu sagen, daß ich keinen Fehl daran finde?«
    Kassem lächelte und legte die Hand auf meinen Arm. »Dann wollen wir es morgen tun.« Er leerte seinen Napf mit Kräutersud und stand auf. »Ich will zwei oder drei Dinge bedenken und die richtigen Schreiben suchen. Euch wünsche ich eine gedeihliche Nacht.«

    Nach kurzem Schweigen sagte Avram: »Und nun sag mir, wie sich deine Seele anfühlt.«
    »Hat er so etwas?« Jorgo grinste.
    »Wie eine Flüssigkeit, die sich längst gesetzt hatte und nun durch Schütteln wieder trüb geworden ist.«
    Avram sah sich um. Es war noch lange nicht Mitternacht, und der Schankraum war immer noch halb gefüllt.
    »Was könnte die trübenden Flocken wieder auf den Boden deines Gemüts sinken lassen?« sagte er dann. »Mehr Wein, bis du deine Seele

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