Die Rache des Kaisers
nicht mehr von diesem Tisch unterscheiden kannst? Deine Fiedel? Die Schankmagd?«
»Die ist noch beschäftigt.« Jorgo gluckste. »Magst du uns eine Musik spielen und dazu trinken, bis sie nicht mehr arbeiten muß?«
Dafür, daß ich nachts nicht ins gemeinsame Zimmer zurückgekehrt war, hatte ich von Jorgo und Avram einige Bemerkungen erwartet, aber an diesem Morgen waren alle schweigsam. Wir nahmen Brot, trockene Früchte, ein wenig Käse und Kräutersud zu uns; danach erteilte Kassem uns letzte Anweisungen und beglich die Zeche.
Während er mit dem Wirt verhandelte, schaute Jorgo hinter der Magd her, die durch den Raum tänzelte.
»Sie ist munter«, sagte er halblaut, »und du wirkst müde.«
Avram schnaubte. »Es hat also alles seine Ordnung.«
Jorgo beugte sich zu mir und flüsterte: »Wie heißt sie eigentlich? Und hat sie jetzt den Schmuck?«
»Sie heißt Maria, und den Schmuck wollte sie nicht mehr, als sie gehört hatte, was es damit auf sich hat.«
»Klug.« Jorgo nickte nachdrücklich. »Wer etwas an sich nimmt, an dem Blut klebt, zieht Unheil auf sich.«
»Gilt nicht für dich«, sagte Avram. »Dir stehen die Kette und das Blut deiner Mutter zu.«
»Hättest du sie ihr denn gegeben?« sagte Jorgo, als wir aufstanden, um Kassem zur Tür zu folgen, wo wir schon vor dem Frühstück unser Gepäck aufgetürmt hatten.
»Nein, sie soll ihr kein Unglück bringen.«
Während sie ihre und Kassems Bündel nahmen, ging ich zu Maria.
»Kurze Wonne, schnelles Scheiden«, sagte ich. »Ich danke und wünsche dir Glück.«
Sie lächelte. »Besser so als langes Zanken. Ich hoffe, du findest dein Ziel.«
Ich verneigte mich ein wenig, und sie hauchte mir einen Kuß auf die Wange.
Nachdem wir die Pferde gesattelt hatten, gingen Kassem und ich zur Burg. Vor dem Eingang lungerten die üblichen Tagelöhner, die auf irgendeine schäbige Arbeit hofften. Die Burgtore standen offen, und die beiden Wächter trugen weder Waffen noch Uniformen - Büttel, vielleicht auch nur Diener, jedoch keine Soldaten.
»Der edle weitgereiste Herr Kassem bittet um ein Gespräch mit dem trefflichen Schultheiß«, sagte ich, als einer der beiden uns in den Weg trat.
»Herr von Seggling ist nicht da«, sagte der Mann. »Soll ich Euch bei Hauptmann Strasser melden?«
Ich blickte Kassem an und sagte auf Arabisch: »Für unser Anliegen vielleicht der bessere Mann, mein Vater.«
Kassem blickte streng und finster. »Sag ihnen, wir nehmen ungern, aber gezwungen an.«
Ich wandte mich wieder an den Wächter. »Der Edle ist nicht erfreut, aber besser mit dem Hauptmann sprechen als mit niemandem.«
Der Wächter bat uns zu warten. Nach kurzer Zeit kehrte er zurück und forderte uns auf, ihm zu folgen.
Als wir den Burghof zur Hälfte durchquert hatten, kam uns der Hauptmann entgegen. Er war barhäuptig und schloß im Gehen seine betreßte Jacke. An den Fingern der rechten Hand waren Tintenspuren zu sehen.
»Ein edler weitgereister Herr?« sagte er. »Ich habe für diesen formlosen Empfang um Nachsicht zu bitten, aber …« Er setzte ein Lächeln auf, das vermutlich zerknirscht wirken sollte. »Der Schultheiß ist unterwegs, und da nichts Dringliches anliegt, ist hier alles ein wenig nachlässig.«
Ich murmelte etwas, Kassem murmelte zurück, und ich gab vor, dies zu übersetzen. »Mein Herr Kassem ist überrascht, aber natürlich sind die Abläufe nicht seine Angelegenheit. Wo mögt Ihr seine Empfehlungsschreiben prüfen, Herr?«
»Empfehlungsschreiben?« Der Hauptmann kratzte sich den Kopf und blickte sich wie suchend um. Im Burghof standen ein paar Karren, und aus einer offenen Stalltür lugte ein Pferdeknecht.
»Mögt Ihr mit der Schreibstube vorliebnehmen?« sagte Strasser; er klang halb zweifelnd, halb entschuldigend. »Die Empfangsräume sind in einem Zustand, der …« Er hob die Schultern.
»Wie es Euch beliebt.«
Wir gingen schweigend hinter ihm her, eine halbe Treppe hinauf, fast genau gegenüber vom Tor. Auf dem ersten Treppenabsatz blieb der Hauptmann stehen, stieß eine Tür auf, deutete eine Verneigung an und bat Kassem mit einer Handbewegung, als erster einzutreten.
Es war eine karge Stube mit ein paar Tischen und groben Stühlen; weder Teppiche noch Wandbehang oder Bilder
schmückten sie, und der kalte Feuerplatz - schlecht gemauert und lange ungereinigt - machte alles noch ein wenig unbehaglicher. Auf einem der Tische lagen Papiere zwischen Tintenfässern und zerzausten Federn.
»Ich bedaure«, murmelte
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