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Die Rache des Samurai

Die Rache des Samurai

Titel: Die Rache des Samurai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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Erleichterung fort. Nur dank der unerschütterlichen Ruhe, die seine Samurai-Ausbildung ihm vermittelt hatte, gelang es ihm, Gelassenheit vorzutäuschen. »Was wollt Ihr dann von mir?«
    Die joviale Fassade fiel von Matsui ab, und der gerissene Kaufmann kam zum Vorschein, der für seine Kunden und sich selbst riesige Vermögen zusammengerafft hatte. »Wir müssen über die bundori- Morde sprechen und darüber, wie wir uns schützen können.«
    »Ich verstehe nicht …«, entgegnete Chūgo zögernd.
    Plötzlich wurde sein Verlangen nach Sake stärker als sein Widerwille, die Gastfreundschaft Matsuis anzunehmen. Chūgo gierte danach, den heißen, starken Reiswein hinunterzustürzen, um seine flatternden Nerven zu beruhigen. Denn er wußte, worauf Matsui hinauswollte.
    » Sōsakan Sano hat von General Fujiwara erfahren«, sagte der Kaufmann, »und über die Fehde, die ihn – und uns – mit den Morden in Verbindung bringt. Er hat bereits mit Euch geredet, nicht wahr?«
    »Woher wißt Ihr das?« fragte Chūgo mit leiser Stimme; es erschreckte ihn, daß Matsui von dem Gespräch wußte, und es machte ihm angst, daß Sano sich auch schon mit Matsui unterhalten hatte. Offenbar glaubte der sōsakan tatsächlich, den Mörder unter den Nachkommen General Fujiwaras zu finden. Was für eine Katastrophe, wenn dies an die Öffentlichkeit drang! »Wer hat es Euch gesagt?«
    Ungeduldig zuckte Matsui die Schultern. »Ich habe viele Kunden im Palast, denen ich für gewisse … Gefälligkeiten ihre Schulden erlasse. Es spielt keine Rolle, wer es mir gesagt hat. Wichtig ist nur – habt Ihr sōsakan Sano von dem Familiengeheimnis erzählt?«
    Angesichts dieser unverblümten Erwähnung des Familiengeheimnisses konnte Chūgo sein Entsetzen kaum verbergen. Dieses Geheimnis war seit General Fujiwaras Tod von einer Generation an die nächste weitergegeben worden; es war das einzige Band, das die verfeindeten Zweige der Familie noch zusammenhielt. Chūgo konnte sich genau an den Tag erinnern, als sein Vater ihm dieses Geheimnis anvertraut hatte.
    Es war vor zehn Jahren gewesen, am ersten Tag des siebenten Monats. Chūgo hatte die Nachfolge seines Vaters übernommen, der fünf Jahre zuvor als Hauptmann der Palastwache in den Ruhestand getreten war. An diesem heißen, schwülen Nachmittag hatte Chūgo die Außenposten des Palastes inspiziert, als er plötzlich hörte, wie jemand seinen Namen rief.
    Chūgo drehte sich um und erblickte seinen Vater, der zwischen den Steinmauern des Wehrganges hindurch zu ihm gehinkt kam.
    » Chichiue! Was ist?« Erschreckt eilte Chūgo dem alten Mann entgegen, der seinen Sohn nie zuvor beim Dienst gestört hatte.
    Chūgos Vater drückte die hilfreich ausgestreckte Hand des Sohnes zur Seite. »Du bist dem Weg des Kriegers auf eine Weise gefolgt«, sagte der alte Mann, »daß es unsere Familie mit Stolz erfüllt. Nun ist die Zeit gekommen, da ich dir etwas sehr Wichtiges erzählen muß. Komm.«
    Wenngleich voller Neugier und gespannter Erwartung, wußte Chūgo, daß sein Vater erst dann reden würde, wenn er dazu bereit war. Langsam gingen sie den ansteigenden Wehrgang hinauf. Nieselregen hatte eingesetzt; die Feuchtigkeit tröpfelte von Chūgos Rüstung und dem Umhang des alten Mannes und stieg dampfend von der Erde auf. Niedrige Wolken hingen über dem Palast, so schwer und drückend wie die noch unausgesprochene Mitteilung des alten Mannes. Vor dem Wachturm im Nordwesten, dem Lieblingsplatz von Chūgos Vater, blieben sie stehen. Dann erzählte der alte Mann in düsterem, gedämpftem Tonfall.
    Die Ungeheuerlichkeit des Geheimnisses verschlug Chūgo den Atem. Entsetzen und Zorn erfüllten ihn angesichts des schrecklichen Unrechts, das General Fujiwara auf so tapfere Weise hatte wiedergutmachen wollen. Und als sein Vater fortfuhr, erkannte Chūgo, welch riesige Verantwortung ihm mit seinem neuen Wissen übertragen worden war.
    »Da du nach meinem Tod das Haupt der Familie wirst, mußt du dieses Geheimnis an deinen ältesten Sohn weitergeben, bevor du stirbst. Bis dahin darfst du mit niemandem darüber sprechen, nicht einmal mit deinen Vettern, denen dieses Wissen ebenfalls von ihren Vätern anvertraut wird. Du mußt das Geheimnis am Leben erhalten, damit die Nachkommen General Fujiwaras eines Tages, wenn die rechte Zeit gekommen ist, die edle Mission beenden können, die er begonnen hat.«
    »Ja, chichiue .«
    Völlig benommen, hatte Chūgo dem Vater geantwortet. Er fragte sich, wann die rechte Zeit kommen würde

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